Verfuehrung im Palazzo des Prinzen
genommen, dass er bislang keine Zeit und Gelegenheit gefunden hatte, sie deswegen zu rügen.
Er stand auf und trat ans Fenster. Die Wasserfläche um den Neptunbrunnen glitzerte im Mondschein, und dahinter glaubte er ein schwaches Licht flackern zu sehen. Angestrengt blickte er in die Richtung des Tonstudios und erstarrte. Nein, es war keine Einbildung! Er hatte vergessen abzuschließen und …
„Maledizione!“
Heißer Ärger schoss durch seinen Körper, während er das Studio in Rekordzeit erreichte. Über dem Meer braute sich ein Sommersturm zusammen. Er hörte das Tosen der Wellen, wie sie ans Kliff schlugen, doch das war nichts gegen seine überschäumende Wut. Mit diesem letzten Streich brachte Izzy Jackson das Fass endgültig zum Überlaufen!
Sie hatte keinen Respekt, keine Manieren und trieb ihn noch in den Wahnsinn!
Matteo öffnete die Tür, trat ein und blieb wie festgefroren stehen. Das Studio war erfüllt von einer klaren Stimme, die so rein und emotional war, dass sie seinen Ärger und alle Gedanken einfach wegschwemmte, bis auf einen …
Das ist der Song, auf den ich die ganze Zeit gehofft und gewartet habe.
Er war hergekommen, um Izzy Jackson wegen ihrer Eigenmächtigkeit zur Rechenschaft zu ziehen, und jetzt stand er nur stumm da, lauschte und beobachtete, wie ihre zarten Finger im Halbdunkel federleicht über die Tasten glitten und dabei Harmonien hervorbrachten, die ihm glatt den Atem verschlugen.
Emotional, herzerweichend, und wundervoll …
Der Song erfüllte alle drei Kriterien und noch so viel mehr. Er überwältigte ihn einfach in seiner Schönheit und Perfektion. Wie betäubt starrte Matteo auf die Gänsehaut, die seine Unterarme bedeckte, und als Izzy einen hohen, glasklaren Ton sang, lief ein Schauer über seinen Rücken. Sie war nicht nur gut, sondern einfach unglaublich. Er hatte Angst, Luft zu holen, um sie nicht abzulenken und damit womöglich den zauberhaften Vortrag zu stören.
Denn offenbar war er nicht für Publikum gedacht.
Diesmal sang sie nicht für ihre Schwester oder für ihn, sondern nur für sich selbst. Und sie saß irgendwo im Halbdunkel, wo er nicht durch gleißende Locken, schillernde rote Pailletten oder mörderische High Heels abgelenkt war. Hier, in seinem leeren Tonstudio, gab es nur eine Frau und ihre Stimme. Und diese Stimme war Weltklasse.
Und er hatte sie als talentlos bezeichnet! Als Opportunistin …
Seinen eklatanten Irrtum immer noch nicht ganz fassend, begann Matteo, auf einzelne Textzeilen zu lauschen. Der Song war ein seelenvoller Appell, die Menschen nicht nach ihrem äußeren Schein zu beurteilen.
Schau mir ins Gesicht, das, was du siehst, das bin ich nicht …
Die Worte trafen ihn mitten ins Herz. Matteo fühlte sich unbehaglich und schrecklich schuldig. Ausgerechnet er, der immer so stolz darauf gewesen war, jeden Menschen und jede Situation durchschauen und einschätzen zu können, hatte sich in diesem Fall so unglaublich blind gezeigt. Er hatte die Presseberichte vor Augen gehabt, ihr aufreizendes Kleid, und er hatte sie verurteilt, aber nicht hingehört.
Die Harmonien und Akkorde waren schon ungewöhnlich kunstfertig, doch die Reinheit ihrer Stimme überwältigte ihn.
Hatte sie so auf der Verlobungsparty im Palast gesungen?
Matteo versuchte, an den Moment zurückzudenken, als Izzy Jackson sich fast gewaltsam das Mikrofon angeeignet hatte. Das, woran er sich erinnerte, hatte nichts mit dem hier zu tun. Damals hatte sich ihre Stimme hart und gepresst angehört. Seltsam angestrengt, falsch. Fast verzweifelt …
Schau mir ins Gesicht, das, was du siehst, das bin ich nicht …
Sie hätte dieses Lied für ihn singen können. Und wenn er nicht sicher wäre, dass sie nichts von seiner Anwesenheit wusste, hätte er wahrscheinlich sogar geglaubt, sie habe es mit Absicht ausgewählt, um ihm einen Spiegel vorzuhalten und ihn zu beschämen. Er kannte den Song nicht, aber auch ohne Izzy zu sehen, wusste Matteo, dass er aus der Tiefe ihres Herzens kam und dass ihre Wangen tränennass waren, als sie die letzten Töne sang.
… das bin ich nicht …
Plötzlich war es ganz still.
Matteo wollte sich gerade bemerkbar machen, da schien die Sängerin seine Anwesenheit zu spüren. Vielleicht hatte er auch unbewusst ein Geräusch gemacht. Auf jeden Fall fuhr sie erschrocken herum.
„Hallo? Ist da jemand?“ Langsam trat er aus dem Dunkel in den Halbschatten, und Izzy stieß zischend den Atem aus.
„Was tun Sie hier, mitten in der Nacht?“, wollte
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