Verfuehrung in bester Gesellschaft
Atlantik überquert, um zu ihm zu gelangen. Er ging auf den Salon zu. Plötzlich war er wieder hellwach und klar.
Als er den Raum betrat, setzte sich Violet kerzengerade hin. Ihre Augen glänzten, und sie blinzelte, als sie sich einen Moment lang umsah, als wollte sie sich erinnern, wo sie sich befand. Dann stand sie auf.
Sein erster Eindruck war, dass sie kleiner war, als er sie in Erinnerung hatte, zierlich, aber wohlgerundet. Tatsächlich sah sie vollkommen anders aus, als er erwartet hatte.
Abgesehen von ihrem wunderschönen roten Haar. So etwas hatte er noch nie gesehen.
Er suchte nach Worten. „Violet. Ich kann kaum glauben, dass Sie hier sind.“
Sie lächelte kühl. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich London erreichte, aber nun bin ich hier.“
Er schien sich nicht regen zu können. „Das sind Sie.“
Dann regte er sich doch und ging auf sie zu, um ihre beiden Hände zu ergreifen. Er bemerkte, dass sie keine Handschuhe trug, und ihm wurde bewusst, dass er ihre Haut nie berührt hatte.
„Willkommen in London“, sagte er. „Hätte ich gewusst, dass Sie kommen, hätte ich für eine angemessenere Begrüßung gesorgt.“
Violet entzog ihm ihre Hände und musterte ihn von oben bis unten. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass ihm die Krawatte lose um den Hals hing, dass sein Kragen fehlte, sein Hemd offen stand und sein Haar zerzaust war.
Violet dagegen – nun …
Violet Griffin Dewar war eine Schönheit.
„Es muss ein bemerkenswerter Abend gewesen sein“, sagte sie und betrachtete ihn aus ihren grünen Augen, an die er sich noch gut erinnerte.
Er errötete wie ein Schuljunge. „Eigentlich nicht. Ich habe ein paar Freunde getroffen und mit ihnen im Club Karten gespielt.“
„Sie spielen? Mir war nicht bewusst, dass Sie ein Spieler sind.“
Seine Verlegenheit verschwand, stattdessen fühlte er sich ein wenig irritiert. „Ich spiele selten. Das war nur ein Zeitvertreib.“
„Nun, damit hatten Sie zweifellos Erfolg.“ Sie sah auf die Uhr, die auf dem Kamin stand. Die Zeiger zeigten die späte Stunde an und verdammten ihn.
„Ich bin sicher, dass Sie müde sind“, fuhr sie fort. „Ich werde jetzt gehen. Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass ich hier bin, und Ihnen sagen, dass ich Sie gleich morgen früh sprechen möchte.“
„Ja, natürlich.“ Er betrachtete sie. Im gelben Schein der Lampe, die auf dem Tisch stand, sah er, dass ihre Züge in den vergangenen drei Jahren weicher geworden waren. Alles Kantige und Knochige an ihr war nun weiblich gerundet. Ihre Haut war cremeweiß, die Wangen leicht gerötet. Über der schmalen Taille wölbte sich ein voller Busen und ihr Hals war so lang und schmal wie ihre Hände. Ihre Lippen waren voller, als er sie in Erinnerung hatte, und von tiefem Rosé.
Sie war nicht mehr das knabenhafte Mädchen, das sie mit sechzehn gewesen war. Violet war zu einer Frau herangereift. Sie sah genauso aus, wie ihr Vater es vorausgesagt hatte, und sogar noch schöner. Sie war eine Frau, die jeder normale Mann gern in seinem Bett haben würde.
Und sie war seine Frau.
Ein Anflug von Verlangen erfasste ihn. Er räusperte sich und ignorierte das Blut, das ihm in die Lenden strömte. Es lag nur daran, dass es spät war und er seit Wochen keine Frau mehr gehabt hatte.
„Mein Beileid zum Tode Ihres Vaters. Er war ein großartiger Mann.“
„Vielen Dank.“
„Es tut mir leid, dass ich nicht da sein konnte, als Sie hier eintrafen. Wenn Sie eine Nachricht geschickt hätten …“
„Ich habe meine Entscheidung recht kurzfristig getroffen. Ein Brief wäre nicht vor mir hier angekommen.“ Sie lächelte kühl. „Außerdem dachte ich, es wäre nett, Sie zu überraschen.“
Er lächelte nur schwach. „Nun, das ist Ihnen zweifellos gelungen.“ Dass er schon vor Monaten nach Boston hätte reisen sollen, hatte er bis zu diesem Moment nicht als gebrochenes Versprechen angesehen. Nun regte sich sein schlechtes Gewissen und dieses Gefühl gefiel ihm ganz und gar nicht.
Violet hob den Kopf. „Ich sehe Sie dann morgen früh.“
Rule nickte. „Ich sorge dafür, dass Hat eines der Stubenmädchen weckt, damit sie Ihnen beim Auskleiden hilft.“
„Ich nehme an, Hat ist Ihr Butler?“
„Eigentlich heißt er Hatfield. Ich habe ihn immer Hat genannt.“
„Natürlich.“
Rule stand wie angewurzelt da, als sie ihre Röcke raffte und anmutig aus dem Salon schritt. Als sie durch die Tür verschwunden war, holte er tief Luft.
Verdammt, seine Frau war nach London
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