Verfuehrung in bester Gesellschaft
gekommen! Er konnte es noch immer nicht glauben. Er würde es seiner Familie sagen und versuchen müssen zu erklären, warum er aus dieser Ehe all die Jahre ein Geheimnis gemacht hatte.
Rule dachte daran, wie er seinen beiden Brüdern und deren Gemahlinnen gegenübertreten würde und schlimmer noch, seiner Tante Agatha, dem Familienoberhaupt. Er stöhnte.
Violet betrat ihre Schlafkammer und fand dort Caroline, die vollständig bekleidet auf ihrem Bett eingeschlafen war. Als Violet leise die Tür hinter sich schloss, schreckte ihre Cousine auf.
Caroline blinzelte und lächelte erwartungsvoll. „Erzähl mir, was geschehen ist. Ich werde erst einschlafen können, wenn ich alles weiß.“
Violet atmete tief durch. Auf dem Sofa hatte sie kaum geschlafen und der Wortwechsel mit Rule hatte sie erschöpft.
„Er war ganz Gentleman. Aber das war er ja schon immer.“
Rule hatte ihre Ankunft selbstverständlicher hingenommen, als sie es erwartet hatte. Oh, er war überrascht gewesen, sie zu sehen. Sehr sogar. Aber er hatte seine Fassung schnell zurückgewonnen und den höflichen Gastgeber gespielt.
Sie hätte es vielleicht erwarten sollen, denn gerade seine galante Art hatte ihr Vater stets an Rule bewundert.
„Wie sieht er aus? Sieht er noch immer so gut aus?“
Gut aussehend war eine schwache Beschreibung für einen Mann wie Rule. „Er sieht gut aus. Besser sogar, um genau zu sein. Außerdem ist er größer, als ich ihn in Erinnerung hatte.“
„Mit den blauen Augen und diesen herrlichen Grübchen?“
„Ganz genau … auch wenn ich die Grübchen heute Abend nicht gesehen habe. Ich glaube nicht, dass er an meiner unerwarteten Ankunft etwas Heiteres finden konnte.“
Caroline schmunzelte. „Nun, wenn du ihn noch immer loswerden willst, dann solltest du ihn vielleicht an mich weitergeben.“
Violet lachte. „Wenn ich ihn erst einmal losgeworden bin, ist es mir egal, was er tut.“
Caroline zog die Brauen hoch. „Andererseits möchte ich keinen Mann, den du verschmäht hast. Ich glaube, ich suche mir selbst einen.“
Violet unterdrückte ein Lachen. „Eine gute Idee.“ Ihr Geschmack in Bezug auf Männer war schon immer sehr verschieden gewesen, und auch wenn Rule besonders gut aussehend war, so war er doch nichts anderes als ein Mann. Violet hatte auf schmerzhafte Art und Weise erfahren, dass zu einer Beziehung mehr gehörte als nur gutes Aussehen.
„Hast du es ihm gesagt?“, fragte Caroline und rutschte vor, um sich auf die Bettkante zu setzen. „Hast du ihm gesagt, dass du eine Annullierung eurer Ehe wünschst?“ Sie waren beide noch vollständig angekleidet. Und beide waren sie erschöpft.
„Ich würde lieber in Ruhe schlafen und ihm morgen früh entgegentreten.“
„Ja, ich verstehe, was du meinst.“
An der Tür klopfte es leise.
„Das wird das Stubenmädchen sein, das mir beim Auskleiden behilflich sein soll. Ich wusste nicht, dass du noch wach bist.“
„Ich bin froh, dass jemand hier ist. Sie kann uns beiden helfen.“
So kam eine üppige, braunhaarige Frau Ende zwanzig herein, die verstohlen ein Gähnen hinter der vorgehaltenen Hand verbarg.
„Mein Name ist Mary. Mr Hatfield hat mich geschickt. Ich soll Ihnen behilflich sein.“
„Danke, Mary.“ Violet drehte ihr den Rücken zu, sodass Mary ihr die Knöpfe öffnen konnte. Innerhalb weniger Minuten war sie entkleidet und hatte ein weißes Nachthemd angezogen. Dann lag sie im Bett. Caroline winkte ihr zu, als sie das Zimmer verließ. Mary folgte ihr den Gang hinunter, um auch ihr beim Auskleiden zu helfen und sich anschließend für den Rest der Nacht auszuruhen.
Die Tür wurde leise geschlossen. Violet starrte hinauf zum blauen Betthimmel. Sie war davon überzeugt, nicht einschlafen zu können. Doch erschöpft von den Anstrengungen des Tages, schlief sie innerhalb weniger Minuten tief und fest.
Rule lag wach und starrte in die Dunkelheit. Seine Frau war da. Violet war in London.
Jetzt, da er den Schock überwunden und das Geschehen begriffen hatte, fühlte er sich beinahe erleichtert. Er konnte anfangen, das Versprechen zu erfüllen, das er Howard Griffin gegeben hatte.
Griffin hatte seines zweifellos erfüllt.
Violet war so schön, wie ihr Vater es erahnt hatte, auch wenn es eine ungewöhnliche Schönheit war. Sie war zierlich, aber nicht dünn, ihre grünen Augen waren eine Spur zu groß für das herzförmige Gesicht. Ihr flammendrotes Haar war ein Blickfang, wenn es auch nicht in Mode war, und sie verfügte über eine
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