Verfuehrung in bester Gesellschaft
Selbstsicherheit, die sie mit sechzehn noch nicht besessen hatte.
Das zeigte sich in der Art, wie sie sich bewegte, wie sie den Kopf hielt und ihn ansah, wobei sie eine Spur von Eigensinn zeigte, die sich nicht leugnen ließ. Aber da war noch viel mehr. Er spürte eine Sinnlichkeit, die sich tief unter der Oberfläche verbarg, und ahnte eine große Leidenschaft in ihr. Es zog ihn zu ihr hin. Er war versucht, sie zu erforschen.
Rule konnte sich nicht erinnern, wann eine Frau sein Interesse das letzte Mal so sehr geweckt hatte, wie Violet es jetzt tat.
Vielleicht lag es an der Tatsache, dass sie seine Frau war, diejenige also, die ihm Söhne gebären und bei ihm sein würde, wenn er alt war. Vielleicht lag es daran, dass er sie geheiratet, aber nie die Frucht dieser Ehe gekostet hatte. Damals war sie noch ein Kind gewesen. Jetzt war sie erwachsen.
Wieder sah er sie vor sich, Violet in dem eleganten blassblauen Seidenkleid, schlafend auf dem Sofa. Als er so wach im Bett lag, stellte er sich vor, wie er sie nach oben tragen und sie entkleiden würde … und dann Zentimeter für Zentimeter all die Schätze entdeckte, die unter ihrer Kleidung verborgen lagen.
Ihm wurde heiß. Das Blut strömte zwischen seine Lenden. Er begehrte diese Frau, die er vor drei Jahren geheiratet hatte.
Für mehr war er noch nicht bereit. Er versuchte noch immer zu verstehen, dass er verheiratet war und mit der Zeit vielleicht Vater werden würde.
Eins nach dem anderen, sagte er sich und lächelte. Violet war hier, und sie war seine Frau. Er hatte nach einer Frau gesucht und wie von Zauberhand war sie an seiner Schwelle erschienen.
Rule starrte in die Dunkelheit. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er seine ehelichen Rechte in Anspruch nehmen konnte.
3. KAPITEL
V iolet erwachte langsam, setzte sich auf und rieb sich die Augen. Sie blickte hinauf zu ihrem Betthimmel, betrachtete die blassblauen Wände und versuchte sich zu erinnern, wo sie sich befand.
Dann fiel ihr alles wieder ein. London. Eine Schlafstube in Rule Dewars Stadthaus. Ihr Gespräch letzte Nacht.
Sie sah, dass Caroline am Fußende des Bettes stand, und blickte hinüber zur Wanduhr. „Oh du meine Güte! Ich wollte gar nicht so lange schlafen!“
„Du warst erschöpft. Die Reise war lang, und lang war auch der Abend, an dem du auf deinen Ehemann gewartet hast.“
Violet räusperte sich. „Ich hasse es, wenn du ihn so nennst.“
Caroline lachte. „Nun, das ist er aber … jedenfalls im Augenblick. Und jetzt hoch mit dir. Mary wird gleich hier sein, um dir beim Ankleiden zu helfen. Und damit solltest du dich beeilen. Draußen wartet eine Armee von Dienstboten, um die neue Lady Rule zu begrüßen.“
„Lady Rule? Du beliebst zu scherzen. Bin ich das?“
„Es scheint so.“
„Das klingt lächerlich.“
Caroline lachte. „Das stimmt. Aber dennoch …“
Während der nächsten halben Stunde halfen Caroline und Mary Violet dabei, sich auf die Begegnung mit Rule und der Dienerschaft vorzubereiten. Danach wollte sie ihm sagen, warum sie die weite Reise auf sich genommen hatte.
Arm in Arm mit Caroline verließ sie das Schlafgemach und ging in Richtung Treppe.
„Ich habe ihn schon getroffen“, gestand Caroline. „Ich bin früher aufgewacht als du und weil ich Hunger hatte, bin ich nach unten gegangen. Wir sind uns auf dem Weg zum Frühstücksraum begegnet. Ich habe mich vorgestellt und ich glaube, er wusste sogar noch, wer ich bin.“
„Du bist eine Frau. Ein Mann, der so aussieht, muss von Dutzenden von Frauen angehimmelt werden. Vermutlich erinnert er sich an jede einzelne.“
„Als wir uns trafen, war ich noch ein Mädchen. Jedenfalls war er sehr höflich.“
„Das war er schon immer. Das hat meinem Vater so an ihm gefallen.“
„Dein Vater hat ihn sehr gemocht.“
„Ja, und jetzt sieh dir an, wohin das geführt hat.“
Als sie am Fuß der Treppe angekommen waren, trat Rule heran. Er lächelte. Er war von Kopf bis Fuß tadellos gekleidet, perfekt auch nach der langen Nacht. „Guten Morgen, meine Damen. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.“
„Recht gut“, erwiderte Violet.
Die Dienstboten kamen heran und drängten sich um sie. Während sie am vergangenen Abend darauf gewartet hatte, dass Rule nach Hause kam, hatte sich Violet ein wenig mit dem Haus vertraut gemacht und bemerkt, dass es sehr geschmackvoll eingerichtet war. Sowohl die Salons als auch die Räume für die Gäste waren elegant möbliert, ebenso das Speisezimmer. Sie hatte den
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