Verfuehrung in Florenz
Fiora mit einem voll beladenen Tablett auf der Terrasse. Zum Glück – sie hätte nichts zu entgegnen gewusst. Die Spannung zwischen ihr und Raphael war so intensiv geworden, dass sie beinahe greifbar schien.
Fiora stellte eine Salatschüssel und ein Körbchen mit duftendem Brot auf den Tisch und servierte cremigen Risotto mit Spargelspitzen. Nach einem forschenden Blick in die angespannten Gesichter lächelte sie wissend und zog sich eilig zurück.
Eve spießte eine Spargelspitze auf die Gabel, schob sie sich zwischen die Lippen und genoss den intensiven Geschmack der italienischen Sonne. Genießerisch schloss sie die Lider und merkte erst jetzt, wie hungrig sie war. Als sie die Augen wieder aufschlug, hatte Raphael sich auf dem Stuhl zurückgelehnt und betrachtete sie unverwandt.
Verlegen leckte Eve das Olivenöl von den Fingern. Sein Blick machte sie leicht schwindlig. In diesem Augenblick glitt ihr der Schal von den Schultern, und ihr wurde schmerzlich bewusst, wie deutlich sich die Brustspitzen unter dem Kleid abzeichneten.
Ihr Blick fiel auf das Blütenblatt einer Rose, das aufs Tischtuch gefallen war. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, griff sie danach und strich darüber. Es fühlte sich an wie feuchte Haut. Die Erinnerung daran, wie Raphael erst vor einer Stunde im Badezimmer ihren Körper berührt hatte, kehrte zurück und brachte eine Woge heißen Verlangens mit sich.
Offenbar konnte er Gedanken lesen. „Du scheinst mir auch ein stilles Wasser zu sein“, bemerkte er. „Woher hast du diese außergewöhnliche Singstimme?“
„Meine Mutter war Sängerin. Sopran. Meine Schwester und ich sind als Kinder mit ihr von einem Konzert zum nächsten gezogen, haben in der Künstlergarderobe geschlafen und unsere Hausarbeiten im Orchestergraben während der Proben gemacht.“
„Und dein Vater?“, erkundigte er sich.
„Erster Geiger.“ Sie stockte kurz. „Soweit ich weiß.“
„Du hast ihn nie kennengelernt?“
Seine Stimme klang so sanft, dass Eve ihm nicht in die Augen sehen konnte. Es war unmöglich, ihn zu hassen, wenn er so mit ihr sprach.
„Nein.“
„Du Glückliche“, stellte er trocken fest. „Ich wünschte, das Gleiche könnte ich von mir behaupten.“
Sie lächelte flüchtig und war dankbar, dass er ihren Wunsch respektierte, nicht weiter über dieses Thema zu sprechen. „Wie geht es deinem Vater? Hast du etwas aus dem Krankenhaus gehört?“
„Keine Veränderung. Sein Herz ist in einem ziemlich schlechten Zustand. Was mich allerdings eher überrascht, ist die Tatsache, dass er überhaupt eines hat. In meiner Kindheit und Jugend habe ich davon nichts gemerkt.“
„Was ist mit deiner Mutter? Hast du ihr nahe gestanden?“
Er schien innerlich zu erstarren. „Ja. Aber sie starb, als ich sieben war.“
„Oh Raphael …“, flüsterte Eve und hätte nicht sagen können, ob er es überhaupt hörte. Er ließ sich jedenfalls nichts anmerken.
Ruhig legte er das Besteck aus den Händen, lehnte sich zurück und sprach weiter. „Mein Vater hat sehr schnell wieder geheiratet. Ich war seiner zweiten Frau ein Dorn im Auge, und sobald Luca zur Welt kam, wurde ich blitzartig in ein englisches Internat abgeschoben. Das ist der Grund für den Mangel an brüderlicher Zuneigung zwischen uns.“
Auch wenn er ruhig und mit einem Hauch von Spott sprach, war sein Schmerz doch offensichtlich. Eve konnte ihr Mitleid kaum unterdrücken.
„Deshalb beherrschst du unsere Sprache auch so perfekt“, bemerkte sie.
„Ich musste sie schnell erlernen. Anfangs konnte ich allerdings das meiste, das ich aufgeschnappt hatte, nicht bei Tisch wiederholen. Hübsche italienische Jungs waren dort eine Neuheit.“
„Du warst bestimmt ein hübscher Junge“, sagte sie, ohne zu überlegen, und wurde rot. „Ich meine damit nicht … ich wollte nur sagen …“ Sie senkte den Blick auf ihren Teller und fuhr hastig fort: „Meine Schwester und ich wollten immer in ein Internat. Uns erschien das wie der Himmel auf Erden. Warst du dort glücklich?“
„Nein, es war die Hölle“, erwiderte er und griff nach einem Stück Brot. „Ich war an diese Umgebung hier gewöhnt und habe die tristen Farben und die Kälte einfach gehasst. Mein Vater war kein großer Briefeschreiber. Dafür war er zu sehr mit seiner neuen Familie beschäftigt. Und ich hatte den Tod meiner Mutter nicht verwunden.“
„Natürlich nicht“, warf Eve ein. „Du warst schließlich noch ein kleiner Junge. Selbst wenn du von deinem Vater Liebe
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