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Verfuehrung in Florenz

Verfuehrung in Florenz

Titel: Verfuehrung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: India Grey
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selbst. Es war einfach, ihre Gefühle an ihrem Gesicht abzulesen – Erregung, Betroffenheit, Traurigkeit, Wehmut. Er wollte ständig wissen, was sie gerade dachte.
    Dieser Wunsch war eindeutig gefährlich.
    Möglicherweise musterte sie die jungen Männer, die hier überall herumliefen und mehr als gut aussahen. Schließlich war sie noch blutjung, und Frauen ihres Alters interessierten sich nun mal für junge Männer.
    Plötzlich konnte es ihm nicht schnell genug gehen, das Wassertaxi zu verlassen und wieder gebührenden Abstand zwischen sich und Eve zu bringen. Am Abend stand die Preisverleihung auf dem Programm. In einer großen Menschenmenge fühlte er sich weitgehend sicher vor allen Versuchungen. Morgen wollte er sich bei Eve entschuldigen und sich mit Catalina treffen. Danach stand der Rückkehr nach Florenz nichts mehr im Weg. Hoffentlich konnte er Marco gute Neuigkeiten mitbringen.
    „Hier steigen wir aus“, sagte er unvermittelt.
    Das Wassertaxi hielt an einem kleinen Landungssteg. Eve griff nach Raphaels Hand und ließ sich von ihm aus dem Boot helfen. Dabei sah er sie nicht an, und er ließ ihre Hand auch so schnell wie möglich los.
    „Wohin gehen wir?“, fragte sie verwirrt und musste beinahe laufen, um mit ihm Schritt zu halten.
    „Einkaufen.“
    „Oh … Und warum?“
    „Hast du nicht gesagt, dass du für heute Abend nichts anzuziehen hast?“
    „Ja, das schon, aber …“
    Jetzt hätte sie rennen müssen, um ihn nicht zu verlieren, und das war in der Hitze des Nachmittags unmöglich. Es reichte ihr.
    „Würdest du bitte für einen Moment stehen bleiben? Ich habe genug! Wir gehen nicht einkaufen! Erstens kann ich mir gar nicht leisten, etwas …“
    „Wir sind da.“ Er blieb vor einem Schaufenster stehen, in dem Roben ausgestellt waren, wie Eve sie bei der Oscarverleihung an den größten Hollywoodstars bewundert hatte. Von den Plastikschultern einer hochnäsig dreinschauenden Schaufensterpuppe fiel in weichen Falten eine sagenhafte Kreation aus mitternachtsblauem Taft, bestickt mit Diamanten, die funkelten wie die Milchstraße.
    Noch ehe Eve Zeit hatte, das Kleid genauer zu betrachten, wurde sie bereits in den Laden gezogen.
    „Raphael“, flüsterte sie gleichzeitig zornig und verlegen. „Ich habe doch gesagt, dass ich …“
    Doch schon war eine elegant gekleidete Frau auf sie zugekommen. Ihr ebenmäßiges, kühles Gesicht erinnerte zwar an die Schaufensterpuppe, doch bei Raphaels Anblick erschien darauf ein verführerisches Lächeln.
    „Signor Di Lazaro, benvenuto, herzlich willkommen. Es ist schon lange her, dass Sie uns beehrt haben.“
    „ Grazie, Claudia. Es kommt unerwartet, und die Zeit ist knapp, das weiß ich. Aber vielleicht finden Sie etwas für meine Begleiterin für den heutigen Abend?“
    „Für die Verleihung der Press Photography Awards? Sie kommen wirklich in letzter Sekunde, aber wir finden bestimmt etwas Passendes.“ Sie wandte sich an Eve und musterte sie eingehend. „Hier entlang, bitte.“
    Im hinteren Teil des Ladens ließ Raphael sich auf ein cremefarbenes Sofa sinken. Er hatte den Sitz extra so gewählt, dass er den Umkleidekabinen den Rücken zukehrte. Erleichtert griff er nach einer Zeitung. Claudias Wissen darüber, wie ihre wohlhabende Klientel zufriedenzustellen war, stand ihrem Expertentum in Modefragen in nichts nach. Ihr Laden stellte eine Oase der Ruhe dar, in der überforderte Ehemänner sich nur allzu gern erholten, während ihre Gattinnen etwas anprobierten. Die Espressomaschine und der Plasmafernseher gehörten zu den Spitzenmodellen auf dem Markt, und auf Beistelltischchen fand man alle nur erdenklichen Zeitschriften.
    Alles zielte auf Entspannung ab. Wieso fühlte er sich dann angespannt wie ein Rennpferd unmittelbar vor dem Start?
    In Kolumbien hatte er sich mehr als einmal in einer unübersichtlichen und gefährlichen Lage befunden, jedoch stets gewusst, wie er sich zu verhalten hatte. Er kannte sich aus, tat das Nötige und trotzte jeder Bedrohung. Nun, nach seiner Heimkehr, fand er sich auf einmal in einer Situation wieder, in der er zwar wusste, was richtig war, jedoch den Impuls kaum unterdrücken konnte, genau das Gegenteil zu tun. Es war die reinste Ironie.
    Eve protestierte noch immer leise von der Umkleidekabine aus, in die Claudia sie gedrängt hatte. „Raphael, hör mir doch zu! Ich kann es mir nicht leisten, hier etwas zu kaufen und …“
    „Du sollst nichts kaufen“, erwiderte er gereizt. „Da ich dich schon zu der

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