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Verfuehrung in Gold

Verfuehrung in Gold

Titel: Verfuehrung in Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Dahl
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gewusst, dass ihr Vater betrunken war, und trotzdem zugelassen, dass er Will mit auf seine Ausfahrt nahm. Auch wenn sie mit dem leben konnte, was sie an Unglück über sich selbst gebracht hatte, könnte sie sich niemals verzeihen, was sie anderen antat. Will, dessen Körper so kalt und steif war.
    »O Gott, bitte«, betete sie oder versuchte es zumindest, »bitte.« Der Druck in ihrer Brust wollte nicht verschwinden. Schuld kroch einer Schlange gleich durch ihr Innerstes und drohte, sie zu ersticken. Emma stolperte zum Fenster und riss es auf.
    Ein eisiger Luftschwall ergoss sich über ihre entblößte Haut. Der Wind drückte das Nachthemd gegen ihren Leib und hüllte sie in klamme Kälte. Emma schluckte die scharfe, frische Luft wie eine Ertrinkende. Sie sog sie in verzweifelten tiefen Zügen in sich hinein. Binnen Sekunden zitterte sie, fühlte aber auch, wie sich der Würgegriff der Schlange in ihr lockerte.
    Sie verlangsamte ihre Atmung und lehnte sich an das Fensterbrett.
    Ablenkung war das, was sie brauchte, sonst nichts. Etwas, das ihre Gedanken beschäftigte. Wenn sie nur diese Nacht durchstand, könnte sie die Dinge in London regeln oder zumindest ihre unauffällige Flucht aus der Stadt planen. Sie musste nur diese Nacht durchstehen – so wie sie andere durchgestanden hatte.
    Emma beugte sich aus dem Fenster, dann ließ sie den Kopf sinken, sodass die Nachtluft ihren Nacken streichelte. Sie wusste nicht, warum Kälte sie beruhigte, warum der Winter sie so faszinierte und lockte. Fest stand lediglich, dass der Rest ihres Lebens sie erstickte, alles Blut und alle Luft aus ihrem Körper presste. Einzig hier draußen konnte sie atmen.
    Und so seltsam es war, auch bei Hart konnte sie atmen. Obgleich sie sich fortwährend stritten und er sie zu etwas drängte, das sie nicht haben konnte.
    Befiehl mir, auf die Knie zu gehen.
    Emma atmete langsam seufzend aus, bevor sie noch langsamer wieder einatmete.
    Sie konnte es nicht riskieren. Die Situation war zu prekär. Es war ausgeschlossen, dass sie in sein Zimmer ging und sich von ihm berühren ließ. Ihre Willenskraft hing an einem seidenen Faden, was ihrer Verzweiflung und Verwundbarkeit geschuldet war. Aber Hart war exakt die Art von Ablenkung, die sie brauchte. Er könnte sie vollkommen überwältigen, jeden anderen Gedanken, jeden Zweifel aus ihrem Kopf verbannen. Er war ihre Lösung und ihr Problem.
    Hart.
    Es wäre Irrsinn, ihn heute Nacht in ihre Nähe zu lassen. Absoluter Irrsinn.
    In seinem Zimmer war es still und zu dunkel. Die kühlere Luft aus dem Korridor sog die warme, würzige aus seinem Raum an und strich über Emmas Gesicht. Fröstelnd setzte sie einen nackten Fuß auf die Holzschwelle.
    Als sie weiter hineinging, gewöhnten sich ihre Augen an das spärliche Licht der einzelnen Nachtkerze neben seinem Bett. Sein kurzes Haar bildete einen krassen Kontrast zum weißen Kopfkissen. Ein Arm war weit zur Seite ausgestreckt. Emmas Blick folgte der Wölbung der Muskeln bis zu der unbedeckten Schulter und der nackten Brust.
    Die Bettdecke verhüllte den Rest, und zu gern hätte Emma sie weggezogen, ihn gänzlich nackt vor sich gesehen – einfach zu ihrem Vergnügen.
    Ihre Haut spannte sich an, denn das Risiko und der Wagemut erregten sie. Sie schlich sich in das Zimmer eines Mannes, von dem sie jahrelang geträumt hatte. Seine Haut schimmerte im sanften Kerzenschein, und obwohl sein Gesicht zur anderen Seite gewandt war, konnte Emma den kunstvollen Bogen seines Kinns sehen.
    Bei Gott, sie wollte ihn berühren, jeden Teil von ihm erkunden, aber deshalb war sie nicht hier. Ihre Willenskraft würde solch einer Verlockung nicht standhalten. Sollte sie ihn unter ihren Händen fühlen, würde sie ihn auch über sich, um sich herum und in sich spüren wollen.
    Bei diesem Gedanken entfuhr ihr ein zittriges Ausatmen. Emma schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen.
    Die Linien seines Gesichts veränderten sich, als die Kerze flackerte. Sie konnte es an der Biegung seines Kinns erkennen. Seine langen Finger zuckten. Emma beobachtete sie, erinnerte sich …
    Ihre Lippen fühlten sich taub an, und sie benetzte sie. »Nicht …«, begann sie, doch es war nur ein heiseres Wispern. Sie schluckte und versuchte es noch einmal: »Nicht aufstehen.«
    Hart fuhr so ruckartig auf, dass Emma zusammenzuckte. Er saß auf dem Bett und sah sie an, bevor sie richtig mitbekommen hatte, dass er sich bewegte.
    »Wer ist da?«, rief er streng.
    »Ich bin es«, antwortete

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