Verfuehrung in Las Vegas
Designer-Boutiquen reihten sich an Souvenirläden und Süßigkeitenstände. Diese bunte Mischung machte die Straße sicher malerischer, als sie zu Steinbecks Zeit gewesen war. Doch Touristen und Einheimische verstrahlten ebenso viel fröhliche Sorglosigkeit wie Doc und seine Freunde damals in Steinbecks Fantasie.
Kate allerdings wirkte sehr angespannt. Nicolas wusste, wie sehr sie es hasste, zu etwas gedrängt zu werden – und wie schwer es ihr fiel, die Kontrolle abzugeben. Pech gehabt, dachte er. Denn auch ihm gefiel es nicht, und dennoch hatte sie ihre süße kleine Nase in seine Angelegenheiten gesteckt.
Er wollte nicht über Hal reden und noch nicht einmal an ihn denken. Was am Tage von JPs Rückkehr geschehen war, hatte ihn mit Scham und Schuldgefühlen erfüllt, die er jahrelang nicht losgeworden war. Nicolas war zu einem zügellosen wütenden Teenager voller Selbsthass herangewachsen und hatte seine Wut nur schwer beherrschen können, bis er schließlich in den Pokerkellern Europas ein Ventil gefunden hatte. Dann hatte er viele weitere Jahre gebraucht, um seine Wut in konstruktive Energie umzuleiten. In wenigen Wochen würde Nicolas endlich diesen Abschnitt seines Lebens für immer begraben, und eigentlich hatte er auf keinen Fall in dieses Wespennest stechen wollen.
Doch in den vergangenen Tagen hatte er einiges überdacht. Er wollte noch immer nicht das Risiko eingehen, Hal die Wahrheit zu sagen. Doch er würde sich eventuell dazu überreden lassen, wenn er im Gegenzug auch etwas bekäme – und zwar Kates Vertrauen. Nicolas hatte ihren neckenden lockeren Umgang miteinander in der vergangenen Woche sehr genossen. Allein der Sex war fantastisch gewesen. Doch jetzt reichte ihm das nicht mehr.
Er spürte die Rundung von Kates Hüfte und strich mit der Hand über den Leinenstoff. Obwohl um sie her alles voller Passanten war, hörte er ihren Atem stocken und lächelte. Kate reagierte immer unmittelbar auf ihn, und immer sehr heftig. Er konnte noch immer nicht fassen, mit welch überwältigender Leidenschaft sie sich jede Nacht liebten. Doch danach versuchte Kate sich immer aus seiner Umarmung zu befreien.
Und dann war da noch ihr stark angespanntes Verhältnis zu Geld. Nicolas hatte seinen Partnerinnen immer äußerst großzügige Geschenke gemacht. Bei Kate sprach er das Thema gar nicht erst an: Sie hatte in den letzten Tagen ja sogar ein Problem daraus gemacht, welche Mahlzeiten und anderen Dinge er bezahlte. Das war doch einfach albern!
Das völlige Fehlen von Materialismus und ihr eigensinniges Beharren auf ihrer Unabhängigkeit gehörten zu den ersten Dingen, die Nicolas an Kate fasziniert hatten. Doch der Wunsch nach Unabhängigkeit war eine Sache, Dickköpfigkeit eine andere. Dass Kate jedes Mal protestierte, wenn er das Essen bezahlen wollte, hatte mit der unsichtbaren Mauer zu tun, die sie um sich her errichtete – damit er ihr nicht zu nahe kam. Aber je höher die Mauer wurde, umso entschlossener war Nicolas, sie einzureißen.
Kates Herz schlug heftig, als Nicolas sie in das altmodisch wirkende, exklusive Juweliergeschäft führte, das zwischen einer puderrosa Kunsthandlung und einem riesigen Sportartikelladen lag.
Drinnen herrschte gedämpftes Licht, ein altes Lied von The Mamas and the Papas war zu hören, und außer ihnen war nur eine junge Verkäuferin im Laden. Nach der lebhaften Menschenmenge draußen war es geradezu eine Oase der Ruhe, sodass Kates Besorgnis vorübergehend ihrer Neugier wich.
Ihr stockte der Atem, als sie den Blick über die wunderschönen, in liebevoller Detailarbeit handgemachten Schmuckstücke gleiten ließ: silberne Delfine an einem Bettelarmband, tiefrote winzige Rubine an einer filigranen Kette aus Weißgold …
„Wie findest du die Stücke?“, fragte Nicolas und legte ihr die Hand auf den Rücken.
„Wunderschön“, erwiderte Kate. „Du solltest dir Manschettenknöpfe kaufen.“ Sie hatte schon ein sehr hübsches Paar entdeckt.
„Ich möchte dir etwas zeigen.“ Er führte sie zu einer Vitrine, in der eine Kette auf schwarzem Satin präsentiert wurde.
Kates Herz schlug so heftig, dass sie kaum noch etwas anderes hören konnte: Wie viele Stunden musste der Silberschmied wohl damit verbracht haben, dieses unsagbar schöne Schmuckstück zu fertigen? Unzählige winzige Süßwasserperlen hingen in Trauben von miteinander verwobenen Wellen aus Sterlingsilber.
„Probier die Kette doch einmal an“, flüsterte Nicolas ihr ins Ohr und rief die Verkäuferin
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