Verführung pur
möglicherweise in Verlegenheit gebracht. Doch dann öffnete sie die Augen wieder. “Du meinst die Orgasmusgeschichte?”
“Die auch.” Man konnte ihr zumindest nicht vorwerfen, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. “Aber ich dachte, du könntest mir jetzt vielleicht verraten, warum du partout kein Presseinterview geben willst, wenn wir zurückkommen.”
“Warum? Überlegst du vielleicht, wie du mich doch noch dazu rumkriegen kannst?”
Nein, sie nahm weder ein Blatt vor den Mund, noch hielt sie sich mit unnötigen Floskeln auf.
Er zuckte mit den Schultern. “Na ja, meine Bank hat immerhin eine Menge Geld in dieses Festival gesteckt, und mein Job ist es, für eine gute PR zu sorgen. Deshalb versuche ich dir den Tag so angenehm wie möglich zu machen. Tja, und nun sieht es so aus, als müsste ich mich entweder für das eine oder das andere entscheiden, denn für dich ist der Tag offensichtlich in dem Moment misslungen, in dem ich für ein bisschen Extrawerbung für meine Bank sorge, oder?”
“Ich störe mich überhaupt nicht daran, Publicity für deine Bank machen zu müssen”, sagte sie seufzend und lehnte sich an den Türrahmen neben der Treppe. “Nur hat meine Familie recht altmodische Wertvorstellungen, und ich fürchte, sie werden allesamt einen Herzinfarkt bekommen, wenn ich im Arm eines halb nackten Piraten über ihren Bildschirm flimmere und von meiner Entführung schwärme.”
Eine Welle versetzte das Boot in Bewegung, und Seth musste unweigerlich an all die Dinge denken, an die er im Moment besser nicht denken sollte. Er griff ihre Hand und zog Mia zu sich. Wenn sie sich setzten, fühlten sie die Wirkung der Bewegungen eventuell weniger stark.
“Ich weiß, dass sich das wie die Ausrede eines Teenagers anhört”, fuhr sie fort, als sie sich neben ihn auf das grüne Ledersofa setzte. “Aber es ist ehrlich wahr. Meine Großeltern sind mittlerweile ziemlich alt, und das Magengeschwür meines Großvaters wird mit jeder meiner Verabredungen schlimmer.”
Seth nickte. Er hatte volles Verständnis dafür, dass für sie die Familie an erster Stelle stand. Dann beugte er sich zur Seite und schaltete die kleine Wandlampe an, wobei er peinlichst darauf achtete, dass zwischen Mia und ihm mindestens dreißig Zentimeter Abstand blieben. Man sollte sein Schicksal schließlich nicht unnötig herausfordern.
“Du stehst deinen Großeltern wohl sehr nahe.”
“Ich bin bei ihnen aufgewachsen. Meine Mutter ist alleinstehend und hat irgendwie nie begriffen, dass man ein geregeltes Leben führen sollte, um ein Kind großzuziehen. Versteh mich nicht falsch, ich liebe meine Mutter, aber unser Verhältnis ist eher wie das zweier Schwestern.” Einen Augenblick spielte sie gedankenverloren mit dem Stoff ihres Sarongs. Dann schien sie sich wieder darauf zu besinnen, wo sie war und wer neben ihr saß. “Aber ich habe mich dir nicht in die Arme geworfen, weil ich dir von meiner Familie erzählen wollte. Ich dachte, du hättest mich aufgehalten, damit wir endlich dieses Bett ausprobieren können.”
“Du sorgst dich um das Magengeschwür deines Großvaters und bist trotzdem bereit, dich einem lüsternen Piraten hinzugeben, weil du ein Abenteuer willst?” In seinen Ohren klang das reichlich verlockend, doch das würde er natürlich niemals zugeben. Was er allerdings zugab, war, dass er ihre Offenheit und Ehrlichkeit bewunderte. “Ist dir je in den Sinn gekommen, dass dein Großvater sich zu Recht solche Sorgen um dich macht?”
“Gib's auf, Seth Chandler.
Du
wirst derjenige sein, der sich
mir
hingibt, und davon braucht niemand etwas zu erfahren, auch nicht mein Großvater.” Sie wippte mit dem Fuß. “Also? Was sagst du? Bist du dabei?”
War er dabei? Warum sollte er sich nicht eine Scheibe von ihrer Unbeschwertheit abschneiden und die Dinge weniger ernst nehmen? Natürlich würde er nicht im Traum daran denken, mit ihr ins Bett zu gehen, aber gegen einen weiteren Kuss war doch nichts einzuwenden, oder? Er musste ja nicht gleich die Beherrschung verlieren.
Außerdem verdiente er einen Kuss, nach allem, was er heute auf sich genommen hatte. Zugegeben, er hatte dem Wunsch eines übermütigen Kunden nicht entsprochen, der ihm einen Handhaken aufschwatzen wollte, aber dafür hatte er sich breitschlagen lassen, einen albernen Hook-Hut zu tragen, den er später über Bord geworfen hatte. Ganz zu schweigen von dieser lästigen Augenklappe, die ihm über Stunden die Sicht behinderte, und dem Einzug in die Stadt mit
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