Verführung pur

zu der man dich überredet hatte, oder?”
    Noelle seufzte. “Sag bitte, dass das nicht wahr ist. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du kurz davor gewesen warst, einmal richtig Spaß zu haben, und dass dann doch nichts daraus wurde.”
    “Dieses verflixte Festival ist nichts weiter als eine Kommerzveranstaltung”, murrte Norman Quentin. “Schade, dass wir in Twin Palms nicht so etwas haben. Der Beachcomber könnte davon profitieren. Überlegt mal, wie viele Flamingos wir verkaufen könnten.”
    Mia wagte nicht, ihre Mutter anzusehen, der die pinkfarbenen Flamingofiguren ein ebensolcher Dorn im Auge waren wie Mia. “Ehrlich gesagt, habe ich freiwillig bei dem Festival mitgemacht, weil ich die Idee ganz witzig fand.”
    “Witzig? Was ist witzig daran, sich in einem hauchdünnen Flatterding von einem Sarong entführen zu lassen – noch dazu von einem dahergelaufenen Kerl, der wahrscheinlich seinen Lebensunterhalt mit Surfunterricht verdient?”, fragte ihre Großmutter, die ehrlich entsetzt aussah.
    “Und ich dachte, ich darf mir vielleicht auch mal ein wenig Abwechslung gönnen. Schließlich habe ich in der letzten Zeit ziemlich hart gearbeitet.” Mia liebte ihre Großmutter, aber sie wusste, wie wichtig es war, seinen Standpunkt ihr gegenüber zu vertreten, weil Betty einen sonst glatt überfuhr. “Außerdem war er kein dahergelaufener Kerl.”
    “Aber eine Figur wie ein Surflehrer hatte er trotzdem?”, hakte Noelle nach, die natürlich wusste, dass sie mit dieser Frage noch Öl ins Feuer kippte.
    Mia biss die Zähne zusammen und rang sich ein Lächeln ab. Solange sie zurückdenken konnte, hatte Noelle es bestens verstanden, ihre Eltern zu provozieren, und Mia hatte nie begriffen, warum sie es wieder und wieder tat.
    Vielleicht war das ihre Art, sich für den Sorgerechtsstreit zu rächen, den sie damals mit ihren Eltern um Mia ausgefochten und verloren hatte. Doch irgendwie schien das nicht der einzige Grund zu sein.
    “Ich habe gar nicht darauf geachtet, ob er muskulös war oder nicht, Mutter. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt …”
    “Deine Steuererklärung vorzubereiten, ich weiß”, ergänzte Noelle prompt.
    “Nein, ich war zu sehr damit beschäftigt, den Beachcomber vor dem finanziellen Ruin zu bewahren.” Das klang zwar reichlich dramatisch, aber sie musste die anderen nun einmal daran erinnern, was der eigentliche Grund für ihre Reise nach Tampa gewesen war. Und ihr Traum vom wilden Abenteuer mit ihrem Piraten war ohnehin in dem Augenblick zerplatzt, als Seth sich weigerte, auf ihre Verführungsversuche einzugehen. Ganz abgesehen davon war ihr die Lust auf verwegene Spielchen für immer vergangen, seit sie wusste, dass er sie belogen hatte.
    “Wir haben genau zwei Wochen Zeit, das Geschäft umzugestalten und das Angebot attraktiver zu machen. Sollten wir es nicht schaffen, mehr Kunden anzulocken, wird das Konkursverfahren eingeleitet”, erklärte Mia und tippte einen aufziehbaren Alligator an, der auf dem Kassentresen stand. “Die Banken fackeln nicht lange, wenn eine Immobilie so viel wert ist wie diese. Wir müssen uns also ranhalten und sie davon überzeugen, dass sich aus dem Geschäft etwas machen lässt. Falls uns das gelingt, werden sie den Kredit für ein paar Monate verlängern.”
    Das bedeutete allerdings, dass ihre Großeltern sich von allem verabschieden müssten, was sie an dem kleinen Souvenirladen liebten. Hier dürften noch eine Menge Probleme auf Mia zurollen.
    Norman und Betty sahen ihre Enkelin eine Weile schweigend an.
    “Den Beachcomber modernisieren?”, fragte Norman schließlich und runzelte die Stirn.
    Nun konnte Mia die zweite Runde einläuten. Nachdem sie das Thema erfolgreich von Seth auf den Laden umgelenkt hatte, musste sie ihnen klipp und klar sagen, welche Veränderungen unumgänglich waren. Leider hatten ihre Großeltern in diesem Punkt noch nie mit sich reden lassen. Aber vielleicht waren sie ja einsichtiger, wenn sie erkannten, dass es keine Alternative gab.
    Mia würde es niemals schaffen, ihren Traum von einem Leben als freischaffende Künstlerin zu verwirklichen, solange das Geschäft ihrer Großeltern sich nicht trug und sie dauernd mitarbeiten musste. Daher blieb ihr gar nichts anderes übrig, als die Sache mit aller Entschiedenheit voranzutreiben.
    Glücklicherweise hatte ihr kleines Abenteuer mit Seth ihr gezeigt, dass sie durchaus imstande war, forsch und entschieden aufzutreten. Sie brauchte lediglich alle störenden Gedanken an ihn zu