Verführung pur
vertreiben, die sie seit der Abfahrt aus Tampa quälten, und sich auf das konzentrieren, was ihr das Wichtigste war – ihre Kunst.
Leider schob sich immer wieder das Bild von seinem unendlich enttäuschten Gesicht, als sie ihn auf dem Parkplatz stehen ließ, zwischen sie und ihr wichtigstes Ziel.
War sie plötzlich mannstoll geworden? Wenn sie nicht aufpasste, würde sie sich am Ende noch ein Mofa kaufen und nach Tampa zurückflitzen, um Seth wiederzusehen. Doch sosehr sie ihre Mutter auch liebte, sie hatte nicht vor, Noelles leichtsinnigen Lebenswandel nachzuahmen.
“Ja, der Beachcomber muss modernisiert werden”, sagte sie und versuchte ein weiteres Mal vergeblich, nicht an Seth zu denken. “Wir müssen einige grundlegende Dinge verändern.”
Zu den grundlegenden Veränderungen müsste allerdings auch zählen, dass Mia nie wieder an Seth Chandler und ekstatische Küsse denken durfte.
Seth stellte sein Fernglas ein, bis er die Buchstaben auf dem verwitterten Schild des kleinen Holzhauses lesen konnte: Beachcomber.
“Da ist es!”, rief er seinem Onkel zu. Er musste ziemlich brüllen, um das Motorengeräusch zu übertönen. “Der graue Holzbau gleich neben dem Yachthafen.”
Die Adresse hatte Brock über seine Kontakte zur Polizei ausfindig gemacht. Seth hätte zwar ebenso gut die Kontodaten von Mia einsehen können, doch das wollte er nicht, weil es ihm irgendwie schäbig vorkam. Schließlich wollte er nur ihre Anschrift und nicht Einblick in ihre finanzielle Situation.
Und Brock hatte ihm versichert, dass die Adresse allein zu erfragen an sich nichts Unmoralisches war. Dennoch hatte der sture Expolizist darauf bestanden, dabei zu sein, wenn Seth zu Mia fuhr.
Brock drosselte den Motor und lenkte sein Fischerboot in den kleinen Hafen. “Ich sehe mal, was ich hier an Ködern kriege, während du auf Brautwerbung gehst. Falls sie dir nicht direkt einen Fußtritt verpasst, kann ich ja ein bisschen angeln, bis du wieder abreisebereit bist.”
“Du hättest wirklich nicht extra mitzukommen brauchen.”
“Na, ich bitte dich! Ich weiß doch, wie du dein eigenes Boot behandelst, da werde ich dir unter keinen Umständen meine
Betsy
überlassen”, sagte Brock und begann sein Boot an der Pier zu vertäuen. “Außerdem brauchst du vielleicht meine Hilfe.”
“Sehe ich aus, als wäre ich auf den Rat eines eingeschworenen Junggesellen angewiesen, der wahrscheinlich seit Jahren mit keiner Frau mehr zusammen war?”, fragte Seth und zog eines der Taue an einem Eisenhaken fest.
“Tust du, mein Lieber. Und, zu deiner Information, ich bin nur Junggeselle, weil ich noch auf die richtige Frau warte. Du weißt ja, wir Angler sind geduldige Menschen.”
“Und ob. Wenn Sie alles über Zweierbeziehungen wissen wollen, lesen Sie Brock Chandlers
Zen oder die Kunst, sich die richtige Frau zu angeln
. Klingt nach einem echten Bestseller.”
Mit diesen Worten sprang Seth auf den Steg. In einer Hand hielt er einen riesigen Hibiskusstrauß.
Brock eilte hinter ihm her und tippte auf eine der Hibiskusblüten in dem Strauß. “Die meisten Frauen schätzen Qualität über Quantität, du Anfänger. Ich wünsche dir trotzdem viel Glück.”
Seth schmollte. Andererseits kannte er Brock gut genug, um zu wissen, dass er ihn absichtlich verunsicherte. Er fand den opulenten Strauß vollkommen angemessen, insbesondere wenn er bedachte, wie Mia mit der Hibiskusblüte aus ihrem Haar gespielt hatte.
In geschäftlichen Dingen hatte er sich bislang immer auf seinen Instinkt verlassen können. Was Beziehungen betraf, war er sich da allerdings nicht so sicher, weshalb er sich nicht traute, seinem Onkel zu widersprechen.
Auf jeden Fall war der Strauß ein guter Vorwand, sich erneut in Mias Leben zu drängen. Er hatte etwas in der Hand, was er ihr geben wollte – auch wenn die Blumen erst der Anfang sein sollten.
Sie waren am Ende der Pier angekommen und wollten gerade getrennter Wege gehen, als laute Geräusche aus dem Beachcomber zu ihnen drangen.
Zuerst hörten sie einen Mann schreien, dann die hektischen Rufe mehrerer Frauen, gefolgt von einem gewaltigen Knall.
Seth und Brock rannten hinüber zu dem kleinen Geschäft und sprangen mit wenigen Sätzen die schmalen Stufen hinauf. Sekunden später standen sie in der offenen Ladentür, bereit, mögliche Einbrecher oder sonstige Schurken zu überwältigen. Doch im Laden erblickten sie nur einen alten Mann und eine alte Frau, die auf Mia und eine andere dunkelhaarige Frau, die ihre
Weitere Kostenlose Bücher