Verführung pur
gemischt und damit einen ganzen Topf Farbe ruiniert hatte. Ihre Konzentration konnte sie bis auf Weiteres wohl abschreiben.
“Und was wirst du in Sachen Brock Chandler unternehmen?”, fragte sie Noelle. Vielleicht konnte sie von ihrer Mutter lernen, wie man sich gegen einen hartnäckigen und zugleich umwerfend attraktiven Mann wehrte. Sie konnte gut ein paar Tipps gebrauchen, wie sie sich Seth gegenüber verhalten sollte.
“Ich schätze, ich muss erst einmal mein Leben und meine Probleme in den Griff kriegen, bevor ich mir auch noch Probleme mit einem Mann aufhalse”, sagte Noelle, deren Pinsel sich jetzt extrem langsam über das Holz bewegte. “Na ja, und auch wenn du nichts davon hältst, ich werde weglaufen.”
War sie denn blind? Brock betete sie an, das sah doch jeder. Und außerdem wirkte er um ein Vielfaches aufrichtiger und zuverlässiger als alle anderen Männer, mit denen Noelle zusammen gewesen war.
Aber vielleicht machte ihr gerade das Angst.
“Tja, damit wäre diese Möglichkeit für mich gestorben.” Mia stellte die rote und die blaue Farbe weg und begann eine frische Leinwand zu grundieren. Mit den Farben würde sie später weiterarbeiten – wenn sie nicht mehr so hoffnungslos durcheinander war.
“Wie bitte?”
“Du weißt, dass ich wild entschlossen bin, dir nicht nachzueifern.” Mia strich mit einem breiten Pinsel Ölfarbe auf die Leinwand. Nach den zarten Aquarellfarben, die sie für die Märchencollage benutzt hatte, tat die Arbeit mit dem kräftigeren, zähflüssigeren Öl richtig gut. “Wenn du dich für Weglaufen entscheidest, werde ich mich dagegen entscheiden und versuchen, meine Probleme mit Seth anders zu lösen.”
“Pah!”, rief Noelle ungläubig. “Wem machst du hier etwas vor? Du bist doch sowieso verrückt nach ihm. Mich benutzt du nur als bequemen Vorwand, um endlich zu tun, was du schon seit Tagen willst.”
Mia musste zugeben, dass Noelles Behauptung nicht direkt aus der Luft gegriffen war. Tag und Nacht lebte sie in ihrer Fantasie die Nacht noch einmal durch, in der sie mit Seth das tollste Gemälde ihres Lebens kreiert hatte – zumal die blauen Abdrücke ihrer Körper auf der Plane sie stets daran erinnerten. Wie wollte sie arbeiten, wenn sie dabei ständig an den himmlischsten Sex aller Zeiten denken musste?
“Außerdem”, fuhr Noelle fort, die glücklicherweise auf die Kommode sah und nicht bemerkte, dass Mia verträumt auf die Plane blickte, “lobt Brock seinen Neffen bei Grandpa über den grünen Klee. Daher kannst du davon ausgehen, dass du den Segen deiner Großeltern bereits sicher in der Tasche hast.”
Das war mal etwas ganz Neues. Endlich gab es einen Mann, bei dessen Erwähnung ihr Großvater sich nicht gleich vor Schmerzen krümmte. Andererseits hatten sich die anderen Männer auch nicht so hartnäckig gezeigt. Seth hingegen war einfach geblieben und hatte ihren überaus skeptischen Großeltern bewiesen, dass er ernsthaft an ihrer Enkelin interessiert war.
Und diese Enkelin interessierte sich mit jedem Tag brennender für ihn.
Nun, da sie den Entschluss gefasst hatte, ihrer Beziehung eine Chance zu geben, konnte sie kaum abwarten, Seth abends wiederzusehen. Am Nachmittag musste sie dringend an ihren Bildern arbeiten, und sobald ihre Großeltern zurück waren, mussten sie anfangen, den Laden zu streichen. Doch danach …
Danach würde Seth Chandler nicht mehr wissen, wie ihm geschieht. Carmen und Gretel hatten sich verbündet und beabsichtigten ihm eine weitere unvergessliche Nacht zu bescheren.
Im Kreise der Quentins kam Seth eine Rolle zu, wie er sie sonst nie hatte. Zur Abwechslung war er nicht der Boss, vor dem alle kuschten, sondern lediglich eine einfache Hilfskraft. Darauf hatte Mia ihn erst wieder aufmerksam gemacht, als sie seinen Farbtopf auffüllte und ihm sagte, er solle bei der Arbeit sein Hemd ausziehen.
Ihr wechselhaftes Verhalten ihm gegenüber verwirrte ihn schrecklich, wenngleich ihm das von heute Abend um Klassen besser gefiel als ihre abweisende Haltung vom Morgen.
Mia, Noelle, Brock und Seth strichen die Wände des Souvenirladens. Sie hatten kurz nach der Rückkehr von Betty und Norman aus Tampa angefangen – nachdem der kleine Streit um die Farbe beigelegt war. Betty hatte sich nämlich spontan entschieden, nicht den blassen Blauton zu kaufen, den Mia ausgesucht hatte, sondern stattdessen ein leuchtendes Rotviolett.
Mias Großmutter hatte behauptet, das Rot wirkte viel freundlicher und lebendiger, und Norman
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