Verfuehrung unterm Silbermond

im Fernsehzimmer. Ein Film über Fußball lief noch immer im Fernsehen. Ihr kleiner Junge war verrückt nach Fußball, und manchmal nahm Raffaele sich Zeit, um samstags mit Sam zu einem Spiel zu gehen. Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle. Nicht mehr lange, und sie würde ihren Sohn von dem Mann trennen müssen, den er wie einen Vater liebte. Aber Raffaele war nicht sein Vater, und ihr blieb keine andere Wahl, als zu gehen.
    Liebevoll strich sie ihm über die Wange. „Wach auf, Schatz.“
    Sam regte sich und blinzelte schlaftrunken. „Du siehst anders aus, Mama.“
    „Ich habe mir die Haare schneiden lassen, deshalb.“ Ja, und ich trage ein elegantes Kleid und feine Unterwäsche, alles bezahlt mit Raffaeles Geld, setzte sie in Gedanken hinzu. Das Schuldgefühl färbte ihre Wangen rot. „Hast du Hunger?“
    „Nein“, murmelte er und sagte noch etwas auf Italienisch, wie er es immer tat, wenn er Zeit mit Raffaele verbracht hatte.
    Raffaele kam in das Zimmer und sah Natasha über ihren Sohn gebeugt, wie sie dem Kleinen zärtlich eine Strähne aus der Stirn strich. Doch ihm schien es, als sähe er sie heute zum ersten Mal. Ja, sie war eine wunderbare Mutter und eine perfekte Haushälterin, doch jetzt war es, als hätte jemand sie mit einem Zauberstab in eine andere Person verwandelt. Wo war die Natasha geblieben, die er kannte?
    Nahezu schonungslos offen hatte er sie wissen lassen, welche Frauen er bevorzugte. Nur … in seinen wildesten Träumen hätte er nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Natasha sich zu seiner Idealfrau verwandeln würde. Bedeutete das möglicherweise eine Komplikation der Dinge?
    Das Telefon klingelte, und Raffaele ging hinaus, um den Anruf entgegenzunehmen. Troy war am anderen Ende, er hörte sich erfreut und verwundert zugleich an.
    „Die Daily News hat mich soeben kontaktiert. Sie wollen einen Kommentar, weil man dich gerade mit einer hinreißenden Blondine vor deiner Haustür gesehen hat. Was ist da los, Raffaele? Ich dachte, Natasha sollte den Lockvogel spielen? Wer ist denn diese mysteriöse Frau?“
    „Nichts Mysteriöses. Es war Natasha.“ Woher kam diese seltsame Genugtuung? „Und was den Kommentar angeht … wir geben keinen ab. Allerdings könntest du fallen lassen, dass besagte hinreißende Blondine und ich am Montag bei dem Wohltätigkeitsdinner zu sehen sein werden. Und da wird sie einen Verlobungsring tragen.“

6. KAPITEL
    „Natasha!“ Die Ungeduld in Raffaeles Stimme war nicht zu überhören.
    „Eine Minute noch!“, rief Natasha zurück und drehte sich wieder zu ihrem Sohn. „Gute Nacht, mein Engel“, sagte sie und fühlte sich dabei, als würde sie ihn für einen Monat allein lassen und nicht nur für einen Abend.
    „Gute Nacht, Mama“, murmelte Sam und lächelte sie an. „Du siehst hübsch aus.“
    Sie kam sich aber nicht hübsch vor, sondern wie eine Betrügerin. Und außerdem war ihr kalt. Sie war es einfach nicht gewöhnt, so viel nackte Haut zu zeigen. Auch wenn sie wusste, dass andere Frauen ähnliche Kleider für den Wohltätigkeitsball tragen würden, zu dem Raffaele sie heute ausführte.
    „Macht es dir auch sicher nichts aus, mit dem Babysitter hierzubleiben?“ Unzählige Male hatte sie Sam diese Frage seit dem Abendessen schon gestellt. Hoffte Natasha etwa insgeheim darauf, Sam würde sie bitten, nicht zu gehen und bei ihm zu bleiben? Reichte es denn nicht, wenn sie einfach nur so tat, als wäre sie Raffaeles Verlobte? Mussten sie sich auch noch als Paar vor den Augen aller bei irgendwelchen Anlässen zur Schau stellen?
    Sam schüttelte den Kopf. „Nein. Ich mag Anna. Sie ist lustig. Sie singt in eine Haarbürste.“
    „Wirklich?“ Natasha zwang sich zu einem Lächeln. Anna studierte Schauspiel und lebte bei ihren Eltern ein paar Häuser weiter die Straße hinunter. Die junge Frau war wirklich nett, und sie betete Sam an. Aber würde sie auch ein Feuer im Keller bemerken, falls eins ausbrechen sollte? Oder würde sie die Gelegenheit beim Schopfe packen und einen ganzen Pulk fragwürdiger Freunde ins Haus holen, um eine wilde Party zu feiern, während Sam unbeaufsichtigt aus dem Fenster fiel?
    Mit ihrer Nervosität steckte sie Sam nur noch an! Also machte Natasha sich lieber auf den Weg nach unten in die Halle, wo Anna mit Raffaele zusammenstand. Beide sahen ihr entgegen, als sie die Stufen hinabstieg. Sie ging sehr vorsichtig, weil ihr die roten Lackpumps ein wenig zu hoch waren und das rote Seidenkleid ein wenig zu lang. Es schien ewig zu