Verfuehrung unterm Silbermond
Verwehrte sie etwa auch Sam den Freiraum, den er brauchte?
Entsetzt über die Vorstellung rief sie sofort bei Serges Eltern an, kaum dass sie das Haus betreten hatte, und fragte, ob Sam übers Wochenende bei Serge bleiben könne.
„Mais oui, bien sûr!“ Serges Mutter lachte verständnisvoll. „Sie brauchen Zeit allein mit Ihrem zukünftigen Ehemann, nicht wahr?“
Das schlechte Gewissen meldete sich bei Natasha, doch das Bild von Elisabettas verhärmten Gesicht vertrieb das Schuldgefühl. „Natürlich nur, wenn es Ihnen keine Mühe macht …“
„Aber nein, ganz und gar nicht. Fahren Sie nur – und genießen Sie jede Minute“, riet Madame Bertrand.
Darüber wollte Natasha lieber nicht nachdenken. Und damit sie gar nicht erst in Versuchung kam, beschloss sie, die Abstellkammer aufzuräumen. Es war zutiefst befriedigend, Ordnung in das Chaos zu bringen. Genau die richtige Therapie.
Der Ring störte, während sie den Putzlappen in den Eimer mit warmem Wasser tauchte und anschließend auswrang. Also streifte sie Gummihandschuhe über und musste unwillkürlich grinsen. Wenn der Daily Mirror sie jetzt sehen könnte! Sie bot ein so ganz anderes Bild als auf den Hochglanzfotos! Aber es tat ihr gut. Weil das meine Wirklichkeit ist, sagte sie sich. Denn wenn das hier vorbei war, würde sie in ihre Welt zurückkehren. In eine Welt, in der sie nicht in einer Limousine mit Chauffeur zu einem Wohltätigkeitsball gefahren wurde. Oder von einem dunkeläugigen Italiener geküsst wurde, bis sie meinte, in seinen Armen ins Paradies aufzusteigen.
Das Telefon klingelte. Sie zog die Handschuhe aus und ging, um den Hörer aufzunehmen.
„Natasha?“
Wie Honig schien die tiefe dunkle Stimme durch die Leitung zu fließen. „Ja, Raffaele?“
„Hast du bei deinem Einkaufsbummel auch zufällig Schwimmzeug gekauft?“
„Schwimmzeug?“ Hatte er das Wort absichtlich anzüglich klingen lassen, oder meinte er wirklich nur Schwimmzeug, um sich in Hitze und Sonne leicht bekleidet ins Wasser stürzen zu können? Natasha schloss die Augen und sah wieder den Badeanzug vor sich, bei dem Kirsty bemerkt hatte, es sei eine Sünde, ihn nicht zu kaufen. Denn der giftgrüne Einteiler betone ihre Kurven, dass sie biegsam darin aussehe wie eine sich ringelnde Schlange.
„Eine schlichte Frage“, hakte er ungeduldig nach. „Man wartet in einem Meeting auf mich! Also, hast du oder hast du nicht?“
„Ja.“ Sie schluckte. „Wieso?“
In der Penthousesuite seines Bürohochhauses sah Raffaele über die Stadt hinaus. „Dann packst du ihn besser ein. Erinnerst du dich, dass ich dir sagte, du sollst dir das Wochenende freihalten? Nun, wir fliegen nach Marrakesch, cara .“
9. KAPITEL
„Dir ist klar …“, Raffaele hielt inne und sah zu, wie Natasha die Arme nach oben reckte, um ein paar Kleider in den Schrank zu hängen. Das Seidenkleid, das sie trug, raschelte und glitt an ihrer Hüfte hinauf, und Raffaele fragte sich, wie eine so simple Bewegung so aufreizend sein konnte. Dann fuhr er schließlich fort, „… dass ich ein paar Details aus deinem Leben wissen sollte.“
Natasha drehte sich langsam zu ihm um. Sie bemühte sich krampfhaft, sich nicht von dem Luxus erschlagen zu fühlen, der sie von dem Augenblick an, seit sie in Marokko gelandet waren, hier erwartet hatte. Einem Luxus, von dem sie bisher nicht einmal geahnt hatte, dass er existierte.
Am Flughafen hatte eine Limousine gewartet, um Natasha und Raffaele in die Altstadt von Marrakesch zu bringen, die umschlossen war von einer pinkfarbenen Stadtmauer. Eselskarren und Autos teilten sich die mit Orangenbäumen gesäumten Straßen. Nach dem grauen und nasskalten englischen Herbst konnte Natasha sich an den farbenfrohen Bildern nicht sattsehen. Die Sonne schien, der Himmel war strahlend blau, und tief atmete sie die Wohlgerüche ein, die in der Luft hingen. Sie war noch nie in einem anderen Land gewesen – etwas, das Raffaele kaum glauben konnte –, und Marokko wäre ein wunderbarer erster Ausflug fern von ihrer Heimat, wäre da nicht Natashas Sorge wegen der gemeinsamen Suite.
Das opulente Stadthaus, in dem sie untergebracht waren, befand sich im Herzen von Marrakesch. Eine Oase voller Luxus mit geräumigen Suiten, Saunen und Massageräumen, nur wenige Minuten von der Medina mit ihren engen Gassen und den exotischen Waren entfernt.
Eine Offenbarung folgte der nächsten, Natasha kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Allerdings hatte sich Raffaele die größte
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