Verfuehrung unterm Silbermond
unbedingt auskosten, auf der anderen jedoch fürchtete ich mich davor. Ich hatte ja keinerlei Erfahrung mit Ausgehen, Parties, Tanzen. Die Dinge eben, mit denen andere Leute meines Alters großgeworden waren.“
Er erhaschte einen Blick auf das Mädchen, das sie gewesen sein musste. Und an ihrer leicht weltfremden Aura hatte sich eigentlich bis zu ihrer kürzlichen Verwandlung nichts geändert. „Wie war Sams Vater?“
Auch wenn sie durchaus gewillt war, einen Abriss ihres Lebens für ihn zu zeichnen … zu diesem Thema gingen Raffaele die Details nun wirklich nichts an. Sams Vater war auf der Suche nach einem Abenteuer gewesen, nicht nach einer lebenslangen Bindung. Und sie konnte es ihm nicht einmal vorwerfen, schließlich hatte sie ja ebenfalls nicht vorgehabt, schwanger zu werden. Aber nur, weil Sam nicht geplant gewesen war, hieß das nicht, dass er nicht das Recht hatte, geliebt und umsorgt zu werden. „Sams Vater hatte viele Eigenschaften“, wich sie aus.
„Warum hat er keinen Kontakt zu seinem Sohn?“
Natasha runzelte die Stirn. „Ist das wichtig?“
„Es interessiert mich.“ Er hielt ihrem Blick stand. „Aus rein zweckgebundenen Gründen, natürlich.“
„Sams Vater wollte nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben. Er hat seinen Sohn nie gesehen. Wollte ihn auch nie sehen.“
Er spürte, wie ihr Stolz versuchte, den Schmerz einzudämmen, und dies rührte etwas tief in ihm an. „Natasha …“
Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie brauchte sein bedeutungsleeres Mitgefühl nicht. „Aber ich wollte das Baby, mir war gleich, wie und warum es entstanden war. Auf diese Weise habe ich meinem Sohn wenigstens den Scheidungskrieg erspart. Sam kennt nichts anderes als Liebe, und ich habe meine Entscheidung noch nie bereut.“
Einerseits bewunderte er sie für ihren kämpferischen Mut, andererseits verfluchte er sie dafür. Denn nichts zog ihn bei einer Frau so sehr an wie ihre innere leidenschaftliche Entscheidungsfähigkeit. Merkte sie denn nicht, dass er sie in seine Arme nehmen wollte, dass er sie begehrte? Und doch hielt ihn etwas zurück, jedes Mal, wenn er zu ihr gehen wollte.
Erst hatte er es mit den verschiedenen Welten begründet, aus denen sie kamen. Doch jetzt … Was also war es? War es etwa sein Gewissen?
Raffaele runzelte die Stirn. Er musste mit dieser Gefühlsduselei aufhören. Natasha konnte man ganz sicher nicht vorwerfen, sentimental zu sein. Sachlich und gefasst hatte sie eben erklärt, dass es ihr nur recht war, keinen Kontakt zu Sams Vater zu haben. Sachlich und gefasst hatte sie sich bereit erklärt, die Rolle seiner Verlobten zu spielen. Sie war eine pragmatische Frau, mit den Sehnsüchten einer leidenschaftlichen Frau. Um Sams willen hatte sie diese bisher jedoch resolut unter Kontrolle gehalten. Doch Sam war jetzt nicht da und Natasha einmal von ihrer Verantwortung entbunden. Und sie waren zwei erwachsene Menschen, die einander begehrten. Durften sie sich dann nicht ein wenig entspannen und sich ganz dem Feuer hingeben, das in ihnen brodelte? Die Spannung, die zwischen ihnen ihm Raum stand, war nahezu greifbar.
Intensiv sah er sie an. Das lange Kleid, das sie vernünftigerweise in diesem Land mit den strengen Sitten trug, umhüllte ihre Gestalt und ließ die Kurven nur ahnen. Die lackierten Fußnägel, die aus den flachen Ledersandalen hervorlugten, sagten ihm, dass ihre Beine unter dem Kleid nackt waren. Er wollte nichts sehnlicher als diese langen Beine um seinen Rücken geschlungen fühlen. Aber sie schaute ihn an wie ein gejagtes Tier, das man in eine Ecke gedrängt hatte. Und Raffaele wusste, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, sie zu verführen.
Mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze erhob er sich von dem Diwan. „Das Meeting mit Zahid wird noch vor dem Dinner abgehalten. In der Zeit kannst du dich frisch machen.“
Mit roten Wangen starrte Natasha ihm nach. Gab es Benimmregeln, wenn man eine Suite mit einem Mann teilte? Ein bestimmtes Verhalten, das die meisten Menschen verinnerlicht hatten, aber an ihr völlig vorbeigegangen war? Existierte eine Art Code, wenn man die Toilette benutzen musste?
Erst als Natasha ganz sicher sein konnte, dass Raffaele wirklich gegangen war, suchte sie Wäsche und Kleider zusammen und ging ins Bad. Sie duschte und zog sich an, legte dezentes Make-up auf und begutachtete sich in dem großen Spiegel.
Die Frau, die ihr entgegenschaute, passte perfekt in diese luxuriöse Umgebung, aber sie sah definitiv nicht aus wie die
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