Verfuehrung
des Kästchens. Er lag auf einem kleinen gefalteten Zettel. Der bloße Anblick machte Julian schon wütend. Sophy wußte, daß ihre Schwester diesen Ring von einem herzlosen Schürzenjäger bekommen hatte, der sich nicht gescheut hatte, Unschuldige zu verführen. Aber selbst sie konnte nicht ahnen, wie gefährlich dieses Stück Metall war.
Julian nahm den Ring aus der Schatulle. Seine Finger berührten das Stück Papier darunter. Ein ungutes Gefühl zwang ihn, den Zettel herauszunehmen und ihn zu entfalten.
Drei Namen standen darauf: Utteridge, Varley und Ormiston.
Die schwelende Glut von Julians Zorn entfachte sich zu lodernden Flammen.
»Wird sie wirklich wieder gesund?« Harriette stand neben Fannys Bett und beobachtete ängstlich das blasse Gesicht ihrer Freundin. Nach stundenlangen Brechkrämpfen und Bauchschmerzen war Fanny endlich erschöpft eingeschlafen.
»Ich glaube schon«, sagte Sophy und mischte noch ein paar Prisen Kräuter in einem Glas. »Sie hat das meiste von dem giftigen Zeug aus dem Körper, und wie Ihr seht, hat sie auch keine so heftigen Schmerzen mehr. Ich werde bis morgen früh bei ihr Wache halten. Ich bin mir fast sicher, daß die Krise vorbei ist, aber man kann nie ganz sicher sein.«
»Ich werde hier bei dir bleiben.«
»Das ist nicht nötig, Harry. Bitte, versucht ein bißchen zu schlafen. Ihr seid genauso erschöpft wie Fanny.«
Harriette tat das mit einer achtlosen Geste ab. »Unsinn. Ich könnte kein Auge zutun, solange Fanny noch in Gefahr ist.«
Sophy lächelte verständnisvoll. »Ihr seid ihr wirklich eine sehr gute Freundin, Harry. Fanny kann sich glücklich schätzen, daß sie Euch hat.«
Harriette setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett und rückte gedankenverloren ihre Röcke zurecht. »Nein, nein, Sophy, es ist genau umgekehrt. Ich bin diejenige, die sich glücklich schätzen muß, daß Fanny meine beste Freundin ist. Sie ist das Glück meines Lebens - der einzige Mensch auf dieser Welt, dem ich alles sagen kann, gleichgültig wie dumm oder klug es ist. Der Mensch, mit dem ich alles teilen kann. Der Mensch, mit dem ich lachen oder weinen und gelegentlich auch ein Glas Sherry zuviel trinken kann.«
Sophy setzte sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Bettes und sah Harriette mit ganz neuem Verständnis an. »Sie ist der einzige Mensch auf der Welt, bei dem Ihr ganz frei sein könnt.«
Harriette strahlte für einen Moment. »Ja, ganz richtig. Der einzige Mensch, bei dem ich frei sein kann.« Sie strich über Fannys schlaffe Hand, die auf der bestickten Decke lag.
Sophy sah die kleine Geste und spürte die Liebe, die dahintersteckte. Vertraute Sehnsucht packte sie, und sie dachte an ihre Beziehung zu Julian. »Ihr könnt Euch sehr glücklich schätzen, Harry«, sagte sie leise. »Ich glaube nicht, daß es viele Verheiratete gibt, die so enge Bande verknüpfen wie Euch mit Fanny.«
»Ich weiß. Es ist traurig, aber vielleicht verständlich. Wie sollten ein Mann und eine Frau sich so gut verstehen wie Fanny und ich?« fragte Harry.
Sophy faltete die Hände im Schoß. »Vielleicht«, sagte sie langsam, »vielleicht ist vollkommenes Verständnis nicht nötig, wenn man sich wirklich liebt, gegenseitig respektiert und bereit ist, tolerant zu sein.«
Harriette warf ihr einen scharfen Blick zu und fragte dann behutsam: »Und das hoffst du wohl, bei Ravenwood zu finden, meine Liebe?«
»Ja.«
»Wie ich schon sagte, für einen Mann ist er sehr gut, aber ich weiß nicht, ob er dir das geben kann, was du willst. Fanny und ich mußten hilflos mitansehen, wie Elizabeth seine liebenswerten Charakterzüge ausgebrannt hat, die du bei ihm suchst. Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob ein Mann überhaupt dazu fähig ist, einer Frau die Dinge zu geben, die sie wirklich braucht.«
Sophys Hände verkrampften sich noch mehr ineinander. »Er ist mein Gemahl, und ich liebe ihn. Ich kann nicht abstreiten, daß er arrogant und dickköpfig und manchmal ungeheuer schwierig ist, aber er ist, wie Ihr sagt, ein guter Mann, ein ehrenwerter Mann. Er nimmt seine Verantwortungen sehr ernst. Ich hätte ihn nie geheiratet, wenn ich nicht zumindest davon überzeugt gewesen wäre. Um ehrlich zu sein, es gab einen Zeitpunkt, wo ich dachte, ich würde überhaupt nie heiraten.«
Harriette nickte verständnisvoll. »Die Ehe ist ein sehr riskantes Unterfangen für eine Frau.«
»Nun ja, ich habe das Risiko auf mich genommen. Ich hoffe es gelingt mir, etwas daraus zu machen.« Sophy lächelte bei
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