Verfuehrung
eingepackt, während Sophy ihre Medizintruhe bereitstellte und ihre kostbare Ausgabe von Culpepers Kräuterkunde.
»Mir gehen verschiedene Kräuter aus«, hatte sie besorgt in der Kutsche gesagt, die sie zu Fanny brachte. »Vielleicht kann einer der hiesigen Apotheker mir etwas gute Kamille und türkischen Rhabarber liefern. Es ist eine Schande, daß Old Bess so weit weg wohnt. Ihre Kräuter sind die besten.«
In Fannys Haus wurden sie von einer verzweifelten Harriette begrüßt. Erst als er die normalerweise so ruhige, aber jetzt völlig aufgelöste Harriette sah, wurde Julian bewußt, wie krank seine Tante sein mußte.
»Gott sei Dank, daß du da bist, Sophy. Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Ich wollte Doktor Higgs kommen lassen, aber Fanny weigert sich strikt, ihn zu sehen. Sie sagt, er wäre nur ein Scharlatan, und sie wird ihn nicht in ihr Zimmer lassen. Ich kann’s ihr nicht verdenken. Der Mann verliert mehr Patienten, als er rettet. Und dann blieb nur noch, dich holen zu lassen, Sophy. Ich hoffe, es macht dir nichts aus?«
»Natürlich nicht. Ich werde sofort zu ihr gehen, Harry.« Sophy hatte sich hastig von Julian verabschiedet und war die Treppe hochgerannt, gefolgt von einem Lakaien mit ihrer Arzneitruhe.
Harriette drehte sich wieder zu Julian, der noch im Eingang stand. Sie sah ihn ängstlich an. »Danke, daß Ihr erlaubt habt, daß sie zu so später Stunde noch das Haus verläßt.«
»Ich hätte sie nicht aufhalten können, selbst wenn ich es gewollt hätte«, sagte Julian. »Und Ihr wißt, wie sehr ich Fanny mag. Ich möchte, daß sie die beste Pflege hat, und ich teile ihre Meinung, was den Arzt angeht. Die einzige Behandlung, die Higgs kennt, ist Aderlaß oder Einlauf.«
Harriette seufzte. »Ich fürchte, Ihr habt recht. Ich habe noch nie viel vom Aderlaß gehalten, und die arme Fanny braucht bestimmt keinen Einlauf mehr. Sie hat schon genug mitgemacht in dieser Richtung durch die widerliche Krankheit, die sie sich zugezogen hat. Da bleiben nur noch Sophy und ihre Kräuter.«
»Sophy ist sehr gut mit Kräutern«, sagte Julian beschwichtigend. »Das kann ich persönlich bezeugen. Ich habe das gesündeste, kräftigste Personal in der Stadt in dieser Saison.«
Harriette quälte sich ein Lächeln ab für diesen kleinen Versuch, humorvoll zu sein. »Unsrem Personal geht es auch sehr gut, dank verschiedener Empfehlungen von ihr. Und mein Rheumatismus ist auch viel erträglicher, seit ich Sophys Mittel dafür nehme. Was würden wir jetzt bloß ohne sie machen, Mylord?«
Ihre Frage ließ Julian stutzen. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
Zwanzig Minuten später erschien Sophy am obersten Treppenabsatz und teilte ihnen mit, daß sich Fanny wahrscheinlich mit schlechtem Fisch beim Abendessen vergiftet hatte und es Stunden dauern würde, sie zu behandeln und ihre Fortschritte zu überwachen. »Ich werde auf jeden Fall die Nacht hier verbringen, Julian.«
Julian fügte sich in das Unvermeidliche und kehrte widerwillig in seiner Kutsche nach Hause zurück.
Die Ruhelosigkeit hatte ihn gepackt, sobald er Knapton weggeschickt hatte und in sein einsames Bett steigen wollte.
Er fragte sich, ob er in die Bibliothek gehen sollte, um sich ein langweiliges Buch zu holen, da fiel ihm plötzlich der schwarze Ring ein. In dem ganzen Trubel hatte er ihn völlig vergessen gehabt.
Daregate hatte recht. Er mußte sofort vernichtet werden. Julian entschloß sich, ihn sofort aus Sophys Schmuckkästchen zu entfernen. Allein der Gedanke, daß er sich in ihrem Besitz befand, machte ihn schon nervös. Es war nur allzu wahrscheinlich, daß sie dem Impuls, ihn wieder zu tragen, nachgeben würde.
Julian nahm eine Kerze und ging durch die Verbindungstür. Sophys Schlafzimmer wirkte leer und verlassen ohne sie. Die Erkenntnis machte ihm bewußt, wie sehr er sich daran gewöhnt hatte, sie in seinem Leben zu haben. Sein leeres Bett ließ ihn alle Verkäufer schlechten Fisches verfluchen. Wenn Fanny nicht krank geworden wäre, würde er jetzt gerade seine dickköpfige, sanfte, leidenschaftliche, ehrenwerte Frau in den Armen halten.
Julian ging zu ihrem Toilettentisch und öffnete den Deckel des Schmuckkastens. Er betrachtete einen Moment lang Sophys armselige Schmucksammlung. Das einzig wertvolle Stück war das Diamantarmband, das er ihr geschenkt hatte. Es lag auf einem Ehrenplatz in der roten Samtschatulle.
Sie brauchte ein paar passende Ohrringe dazu, fand er.
Dann fiel sein Blick auf den schwarzen Ring in einer Ecke
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