Verfuehrung
sorgen, daß sie ihren Tee trinkt.«
Mary machte einen hastigen Knicks und wich ängstlich zur Tür zurück. »Ja, Mylord«, sagte sie und legte die Hand auf den Türknopf. Sie schickte sich an, das Zimmer zu verlassen, blieb dann noch einmal kurz stehen und sagte mit einem Anflug von Trotz: »Wir ham uns alle großen Sorgen um Madame gemacht.«
»Das weiß ich, Mary. Aber jetzt ist sie sicher und gesund wieder zu Hause, und in Zukunft werdet Ihr alle viel besser auf sie aufpassen, nicht wahr?«
»O ja, Mylord. Wir lassen sie nicht mehr aus den Augen.«
»Ausgezeichnet. Du kannst jetzt gehen, Mary.«
Mary floh.
Sophy ballte ihre Hände im Schoß zusammen, als die Tür sich hinter ihrer Zofe schloß. »Es besteht kein Grund, das Personal zu terrorisieren, Julian. Sie meinen es alle gut, und was heute nachmittag passiert ist, war ganz bestimmt nicht ihre Schuld. Ich -« Sie räusperte sich. »Ich bin diesen Weg schon so oft in den letzten Jahren geritten. Es war nicht nötig, daß mich ein Lakai begleitet. Wir sind hier auf dem Land, nicht in der Stadt.«
»Aber sie haben deinen armen, bewußtlosen Körper nicht auf dem Weg gefunden, der zur Hütte von Old Bess führt, nicht wahr?« Julian ließ sich in einen Stuhl neben dem Fenster fallen und sah sich im Zimmer um. »Wie ich sehe, hast du hier und auch anderswo einiges verändert, meine Liebe.«
Der plötzliche Themawechsel brachte sie noch mehr aus der Fassung. »Ich hoffe, Ihr habt nichts dagegen, Mylord«, sagte Sophy mit erstickter Stimme. Sie hatte das ungute Gefühl, daß er mit ihr spielen wollte, bis sie die Nerven verlor und alles beichtete.
»Nein Sophy, ich habe nichts dagegen. Ganz im Gegenteil. Ich mag dieses Haus schon seit einiger Zeit nicht mehr.« Julians Blick glitt zurück zu ihrem ängstlichen Gesicht. »Jede Veränderung auf Ravenwood Abbey ist mir sehr willkommen, das kann ich dir versichern. Wie fühlst du dich jetzt?«
»Sehr gut, danke.« Die Worte klebten in ihrer Kehle.
»Das beruhigt mich.« Er streckte seine Beine aus und lehnte sich im Stuhl zurück, die Hände locker vor sich gefaltet. »Du hast uns allen große Sorgen gemacht, weißt du.«
»Das tut mir leid.« Sophy holte tief Luft und versuchte, sich an die kleinen, sorgfältig ausgearbeiteten Details ihrer Geschichte zu erinnern. Sie war der Meinung, wenn sie ihre wacklige Geschichte mit einer großen Anzahl Einzelheiten abstützte, wäre vielleicht noch etwas daran zu retten. »Ich glaube, irgendein kleines Tier hat die Stute erschreckt. Ein Eichhörnchen vielleicht. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen. Wie du weißt, bin ich eine ganz passable Reiterin.«
»Ich habe deine Reitkünste schon oft bewundert«, stimmte Julian ihr höflich zu.
Sophy merkte, wie sie errötete. »Ja, also, wie es der Zufall will, ich war gerade auf dem Rückweg von Old Bess und hatte eine größere Menge Kräuter gekauft. Die Päckchen hatte ich in meinen Röcken verteilt. Ich war gerade damit beschäftigt, sie zurechtzurücken, die Päckchen, weißt du, weil ich Angst hatte, die Kräuter könnten unterwegs herausrutschen, verstehst du.«
»Ich verstehe.«
Sophy starrte ihn einige Sekunden an, sein unverwandter, abwartender Blick war mesmerisierend. Er schien so heiter und geduldig, aber es war die Geduld eines Jägers. Die Erkenntnis traf sie wie der Blitz. »Und... und, ich fürchte, ich habe nicht auf das Pferd geachtet. Ich habe mit einem Päckchen von... getrocknetem Rhabarber, glaub ich war es, zu tun gehabt, als die Stute scheute. Danach hab ich mein Gleichgewicht nicht mehr gefunden.«
»Das war der Punkt, an dem du zu Boden gefallen bist und dir den Kopf angeschlagen hast?«
Sie hatten sie nicht bewußtlos daliegend auf dem Weg gefunden, ermahnte sich Sophy. »Nicht ganz, Mylord. An diesem Punkt fing ich an, aus dem Sattel zu rutschen, aber, äh, ich glaube, die Stute hat mich noch ein Stück weit getragen, bevor ich endgültig heruntergefallen bin.«
»Würde es die Sache für dich leichter machen, wenn ich dir sage, daß ich gerade von einem Ritt entlang des Wegs zur Hütte von Old Bess zurückgekommen bin?«
Sophy beäugte ihn nervös. »Tatsache, Mylord?«
»Ja, Sophy«, sagte er sanft. »Tatsache. Ich habe eine Fackel dabeigehabt, und in der Nähe des Weihers hab ich ein paar sehr interessante Spuren entdeckt. Wie es scheint, war heute noch ein Pferd mit Reiter auf demselben Weg.«
Sophy sprang auf. »Julian, ich bitte dich, stell mir heute abend keine Fragen
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