Verfuehrung
habt Ihr mir eine Liste mit Euren Forderungen überreicht.«
Sie runzelte die Stirn. »Das ist richtig, Mylord.«
»Ich war zu diesem Zeitpunkt sehr beschäftigt und habe es deshalb versäumt, meine eigene Liste anzufertigen.«
»Eure Forderungen kenne ich bereits, Mylord. Ihr wollt einen Erben und keinen Ärger.«
»Ich möchte die Gelegenheit nützen und das etwas präzisieren.«
»Ihr wollt Eurer Liste noch einige Punkte hinzufügen? Das ist aber nicht gerade fair, oder?«
»Ich habe nicht gesagt, daß ich die Liste vergrößern will, ich will sie nur klarstellen.« Julian hielt inne. Er sah das Mißtrauen in ihren türkisen Augen und lächelte. »Schaut nicht so besorgt drein, meine Liebe. Der erste Punkt auf meiner Liste, ein Erbe, ist ja wohl klar. Den zweiten Punkt möchte ich klarstellen.«
»Keinen Ärger. Das scheint doch klar genug.«
»Das wird es auch sein, wenn Ihr begriffen habt, was genau ich darunter verstehe.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel wird es uns beiden eine Menge Probleme ersparen, wenn Ihr es Euch zur Gewohnheit macht, mich nie anzulügen.«
Ihre Augen weiteten sich. »Ich habe bestimmt nicht die Absicht zu lügen, Mylord.«
»Ausgezeichnet. Ihr solltet nämlich wissen, daß Ihr damit nicht durchkommt. Da ist etwas in Euren Augen, Sophy, was Euch jedesmal verraten würde. Und ich wäre sehr ungehalten, wenn ich eine Lüge in Euren Augen entdeckte. Haben wir uns da verstanden?«
»Vollkommen, Mylord.«
»Dann kehren wir doch zu meiner vorherigen Frage zurück. Ich glaube, ich habe Euch gefragt, ob etwas nicht in Ordnung wäre, und Ihr habt das verneint. Eure Augen sagen aber etwas anderes, meine Liebe.«
Sie nestelte an dem losen Band ihres Beutels herum. »Wollt Ihr mir etwa keine privaten Gedanken gönnen?«
Er runzelte die Stirn. »Waren denn Eure Gedanken in diesem Augenblick so privat, daß Ihr glaubt, sie vor Eurem Gemahl verstecken zu müssen?«
»Nein«, sagte sie schlicht. »Ich dachte nur, Ihr wäret nicht sonderlich erfreut, wenn ich sie ausspreche.«
Julian hatte eigentlich nur seinen Standpunkt klarmachen wollen, aber jetzt quälte ihn mit einem Mal die Neugier. »Ich würde sie gerne hören, wenn Ihr so gut wäret.«
»Na schön. Ich habe mich gerade in deduktiver Logik geübt, Mylord. Ihr hattet gerade eingestanden, daß die geschäftliche Angelegenheit vor unserer Heirat äußerst unangenehm gewesen ist, und ich habe mir überlegt, was das denn für eine Angelegenheit hätte sein können.«
»Und zu welchem Schluß seid Ihr durch Eure deduktive Logik gekommen?«
»Zu dem Schluß, daß Ihr zweifellos einige Schwierigkeiten hattet, als Ihr Eurer augenblicklichen Mätresse erklären mußtet, daß Ihr heiraten werdet. Man kann es der armen Frau ja nicht verdenken. Sie hat schließlich und endlich die ganze Arbeit einer Ehefrau geleistet und jetzt verkündet Ihr einfach, daß eine andere Bewerberin für den Posten den Zuschlag bekommt. Und noch dazu eine recht unqualifizierte Bewerberin. Wahrscheinlich hat sie ein großes Drama daraus gemacht, und deshalb habt Ihr Euch so geärgert. Erzählt, ist sie eine Schauspielerin oder eine Ballettänzerin?«
Julians erster Impuls war das absurde Verlangen, laut loszulachen, aber den unterdrückte er schleunigst im Interesse ehelicher Disziplin. »Ihr vergeßt Euch, Madame.«
»Ihr wolltet doch, daß ich Euch all meine privaten Gedanken erzähle.« Die lose Feder auf ihrem Hut wippte nach vorn. »Stimmt Ihr mir jetzt zu, daß ich gelegentlich meine privaten Gedanken für mich behalten sollte?«
»Ihr solltet solche Überlegungen erst gar nicht anstellen.«
»Ihr habt sicher recht, aber leider hab ich nur sehr wenig Kontrolle über meine innersten Gedanken.«
»Vielleicht kann man Euch ein gewisses Maß an Kontrolle lehren«, schlug Julian vor.
»Das bezweifle ich.« Sie lächelte ihn plötzlich an, und die Herzlichkeit dieses Lächelns ließ Julian vor Erstaunen blinzeln. »Sagt mir eines«, fuhr Sophy mit einem verschmitzten Grinsen fort, »hab ich richtig geraten?«
»Die geschäftlichen Angelegenheiten, die ich geregelt habe, bevor ich London verließ, gehen Euch nichts an.«
»Ah, jetzt verstehe ich, wie der Hase läuft. Mir werden keine privaten Gedanken gestattet, aber Ihr könnt Euren nach Herzenslust frönen. Das ist aber nicht sehr fair, Mylord. Und überhaupt, wenn Euch meine irrigen Gedanken so aufregen, glaubt Ihr dann nicht, es wäre besser, wenn ich sie für mich behalte?«
Julian beugte sich
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