Verfuehrung
bleiben, Mylord.«
»Keinen Ärger, was?« Einen kurzen Augenblick lang war da etwas wie ein amüsiertes Funkeln in Julians eisigen Augen zu sehen. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich das beruhigt, Sophy. Geh wieder ins Bett und schlaf weiter. Ich werde dir morgen früh meine Entscheidung mitteilen.«
Eine Woge der Erleichterung durchflutete sie. Sie hatte die erste Runde gewonnen. Er schickte sie wenigstens nicht einfach weg. Sophy lächelte zittrig. »Danke, Julian.«
»Dank mir lieber noch nicht. Wir beide haben noch viel zu klären zwischen uns.«
»Das ist mir klar. Aber wir sind doch zwei intelligente Leute, die sich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Wir müssen unseren gesunden Menschenverstand benutzen, um zu lernen, wie wir tolerant Zusammenleben können, meinst du nicht auch?«
»Siehst du die Situation so, Sophy? Daß wir auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert sind?«
»Ich weiß, daß Ihr es vorziehen würdet, wenn ich die Angelegenheit nicht romantisiere, Mylord. Aber ich versuche nur, unsere Ehe etwas realistischer zu sehen.«
»Das Beste daraus machen, in anderen Worten?«
Sie strahlte ihn an. »Genau, Mylord. Wie zwei Zugpferde, die zusammen in einem Geschirr arbeiten müssen. Wir müssen denselben Stall teilen, aus demselben Trog trinken, vom selben Heuballen fressen.«
»Sophy«, unterbrach sie Julian. »Ich bitte dich, keine Bauernhofvergleiche mehr. Sie beeinträchtigen meine Denkfähigkeit.«
»Das möchte ich unter allen Umständen vermeiden, Mylord.«
»Wie gütig von dir. Wir sehen uns morgen früh um elf Uhr in der Bibliothek.« Julian drehte sich um und verließ das Zimmer.
Sophy blieb allein im Dunklen zurück. Aber sie war sehr vergnügt, als sie wieder ins Bett stieg. Die erste Hürde war genommen. Sie spürte, daß Julian eigentlich nichts gegen ihre Anwesenheit einzuwenden hatte. Wenn es ihr gelänge, ihn morgen früh nicht zu provozieren, durfte sie sicher bleiben.
Sie hatte recht gehabt, was seinen Charakter betraf, sagte sich Sophy überglücklich. Julian war in vieler Hinsicht ein harter, kalter Mann, aber ein ehrenwerter. Er würde sie fair behandeln.
Am Morgen änderte Sophy dreimal ihre Meinung, ehe sie sich entschied, was sie für ihr Gespräch mit Julian anziehen sollte. Man hätte meinen können, sie ginge auf einen Ball, anstatt zu einer Aussprache mit ihrem Mann, tadelte sie sich selbst. Eine militärische Kampagne wäre wohl ein passenderer Vergleich gewesen.
Sie wählte schließlich ein leichtes gelbes Kleid, weißverbrämt und bat ihre Zofe, ihr das Haar in einen modischen Wasserfall von Locken zu legen.
Als sie endlich mit ihrer Toilette zufrieden war, blieben ihr nur noch fünf Minuten, um die Treppe hinunterzugehen. Sie eilte den Gang entlang, rannte die Treppe hinunter und erreichte schließlich etwas außer Atem die Tür der Bibliothek. Ein Lakai öffnete sie prompt für sie, und sie segelte mit einem hoffnungsvollen Lächeln durch die Tür.
Julian erhob sich langsam von seinem Schreibtisch und begrüßte sie mit einem förmlichen Kopfnicken. »Du hättest dich nicht so beeilen müssen, Sophy.«
»Das ist schon in Ordnung«, versicherte sie ihm und ging rasch auf ihn zu. »Ich wollte dich nicht warten lassen.«
»Ehefrauen sind berüchtigt dafür, ihren Mann warten zu lassen.«
»Oh.« Sie wußte nicht so recht, wie sie diese Bemerkung verstehen sollte. »Nun ja, in dieser speziellen Disziplin kann ich mich ja ein andermal üben.« Sie sah sich um und entdeckte einen mit grüner Seide bezogenen Stuhl. »Heute morgen war ich viel zu gespannt auf deine Entscheidung im Hinblick auf meine Zukunft.«
Sie ging auf den grünen Stuhl zu und stolperte prompt. Sie fing sich gleich wieder und schaute nach unten, um zu sehen, was diesen Ausrutscher verursacht hatte. Julian folgte ihrem Blick.
»Mir scheint, das Band deines Slippers ist aufgegangen«, bemerkte er höflich.
Sophy errötete beschämt und setzte sich rasch. »Tatsächlich.« Sie bückte sich und band es hastig zu. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie, daß sich Julian wieder gesetzt hatte und sie mit seltsam resignierter Miene musterte. »Ist etwas nicht in Ordnung, Mylord?«
»Nein, alles läuft perfekt, wie mir scheint. Also, jetzt zu deinem Wunsch, hier in London zu bleiben.«
»Ja, Mylord?« Sie konnte es kaum erwarten zu hören, ob sie recht gehabt hatte und er wirklich einen Sinn für Fairneß hatte.
Julian zögerte, runzelte nachdenklich die Stirn und
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