Verfuehrung
Und sie hatte schließlich noch andere Dinge hier in London zu tun, sagte sie sich, als sie sich erhob. Sie hatte genug Zeit mit dem Versuch, Julians Liebe und Zuneigung zu gewinnen, verschwendet. Er war nicht fähig, sie zu geben.
Und wie sie es Julian schon gesagt hatte, gab es ein anderes Projekt, das sie ausreichend beschäftigen würde. Sie mußte den Verführer ihrer Schwester finden.
Entschlossen, sich dieser Aufgabe zu widmen, ging Sophy zu ihrem Schrank, um sich das Zigeunerkostüm anzusehen, das sie an diesem Abend zu Lady Musgroves Maskenball tragen wollte. Sie betrachtete das bunte Kleid, den Schal und die Maske einige Zeit, dann warf sie einen Blick auf das kleine Schmuckkästchen.
Sie brauchte einen Plan, eine Möglichkeit, diejenigen aus der Reserve zu locken, die etwas über den schwarzen Ring wußten.
Und plötzlich hatte sie eine Inspiration. Sie würde den Ring bei dem Maskenball tragen, wo ihre eigene Identität ein Geheimnis war. Es würde sicher interessant sein zu beobachten, ob jemand den Ring bemerkte und etwas dazu sagte. Wenn ja, könnte sie vielleicht ein paar Hinweise auf den früheren Eigentümer bekommen.
Aber es waren noch viele Stunden bis zum Ball, und sie war ohnehin schon viel zu lange auf. Jetzt spürte Sophy mit einem Mal, wie erschöpft sie körperlich und emotionell war. Sie ging zum Bett, in der Absicht, ein kleines Nickerchen zu machen und schlief innerhalb von Minuten tief und fest.
Julian stand unten in der Bibliothek und starrte in den leeren Kamin. Sophys Bemerkung, daß kein Mann die Mühe wert wäre, im Morgengrauen aufzustehen und eine Kugel zu riskieren, brannte noch in seinen Ohren. Er hatte eine ähnliche Bemerkung nach seinem letzten Duell wegen Elizabeth gemacht.
Aber heute morgen hatte Sophy genau das getan, dachte Julian. Gott steh ihm bei, sie hatte das Unvorstellbare für eine anständige Frau getan. Sie hatte eine berühmte Kurtisane zum Duell gefordert und war dann im Morgengrauen aufgestanden, um ihren Hals für eine Frage der Ehre zu riskieren. Und alles nur, weil seine Frau glaubte, in ihn verliebt zu sein und es nicht ertragen konnte, seine Liebesbriefe an eine andere Frau abgedruckt zu sehen.
Er konnte nur dankbar sein, daß Charlotte offenbar nicht erwähnt hatte, daß die Perlohrringe, die sie zum Duell getragen hatte, ein Geschenk waren, das er ihr vor Jahren gemacht hatte. Er hatte sie sofort erkannt. Wenn Sophy das mit den Ohrringen gewußt hätte, wäre sie doppelt so wütend gewesen. Die Tatsache, daß Charlotte ihre jüngere Gegnerin nicht mit den Perlohrringen gereizt hatte, sagte sehr viel über den Respekt, den die Featherstone für die Frau hatte, von der sie gefordert worden war.
Sophy hatte ein Recht darauf, wütend zu sein, dachte Julian erschöpft. Er hatte ihr sehr viel Geld zur Verfügung gestellt, aber er war nicht sehr großzügig gewesen mit der Art Geschenke, die eine Frau von ihrem Mann erwartet. Wenn eine Kurtisane Perlen ver-diente, was verdiente dann eine süße, leidenschaftliche, warmherzige, treue Frau?
Aber er hatte kaum einen Gedanken daran verschwendet, Sophy Juwelen zu kaufen. Der Grund dafür war, daß er immer noch davon besessen war, die Smaragde wiederzufinden. So hoffnungslos das jetzt auch schien, Julian hatte immer noch Schwierigkeiten, sich damit abzufinden, daß eine Gräfin Ravenwood etwas anderes als die Ravenwood-Familienjuwelen tragen sollte.
Nichtsdestotrotz gab es keinen Grund, wieso er Sophy nicht irgendein kleines, teures Schmuckstück kaufen sollte, das ihren weiblichen Stolz befriedigte. Er nahm sich vor, gleich an diesem Nachmittag zum Juwelier zu gehen.
Julian ging langsam nach oben in sein Zimmer. Die Erleichterung, die er verspürt hatte, als ihm klar wurde, daß Sophy das Haus nicht verlassen hatte, um mit einem anderen Mann fortzugehen, genügte leider immer noch nicht, die Eiseskälte zu vertreiben, die sein Herz umklammerte, jedesmal wenn er daran dachte, daß sie hätte sterben können.
Julian fluchte leise vor sich hin und schwor sich, nicht mehr daran zu denken. Es würde ihn nur zum Wahnsinn treiben.
Es war offensichtlich, daß Sophy tatsächlich ernst meinte, was sie gestern abend gesagt hatte, als sie in seinen Armen erschauderte. Sie glaubte wirklich, sie wäre in ihn verliebt.
Es war verständlich, daß Sophy ihre eigenen Gefühle nicht ganz begriff, sagte sich Julian. Der Unterschied zwischen Leidenschaft und Liebe war nicht immer klar erkennbar. Davon konnte er ein Lied
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