Verfuehrung
wagt, diesen Ring in der Öffentlichkeit zu tragen.«
Zwölf
Sophy erstarrte. Sie wäre über ihre eigenen Füße gestolpert, wenn ihr Partner sie nicht kurz schmerzlich fester gehalten hätte. »Ihr kennt diesen Ring, Sir?« fragte sie und versuchte, dabei möglichst locker zu klingen.
»Ja.«
»Wie merkwürdig. Ich hab nicht gewußt, daß er so gewöhnlich ist.«
»Er ist sehr ungewöhnlich, Madame. Nur sehr wenige würden ihn erkennen.«
»Ich verstehe.«
»Darf ich fragen, wie er in Euren Besitz gekommen ist«, fragte der maskierte Mann mit ruhiger Stimme.
Sie hatte sich eine Geschichte zurechtgelegt. »Es ist ein Andenken, das mir eine Freundin gab, bevor sie starb.«
»Eure Freundin hätte Euch warnen sollen, daß dieser Ring sehr gefährlich ist. Ihr tätet gut daran, ihn abzulegen und nie wieder zu tragen.« Nach einer kleinen Pause schloß der Fremde leise: »Außer Ihr seid eine sehr abenteuerlustige Frau.«
Sophys Herz klopfte bis zum Hals, aber es gelang ihr, unter ihrer Halbmaske sorglos zu lächeln. »Ich kann mir nicht vorstellen, wieso Euch der Anblick dieses Ringes so beunruhigt. Was macht ihn denn so gefährlich?«
»Es steht mir nicht zu, Euch zu sagen, warum er gefährlich ist, Mylady. Die Trägerin muß das selbst herausfinden. Aber ich halte es für meine Pflicht, Euch zu warnen, daß er nichts für schwache Nerven ist.«
»Ich glaube, Ihr nehmt mich auf den Arm, Sir. Aber, ehrlich, ich kann nicht glauben, daß dieser Ring mehr ist als bloß ein ungewöhn-liches Schmuckstück. Auf jeden Fall hab ich keine schwachen Nerven.«
»Dann werdet Ihr vielleicht mit dem Ring eine sehr ungewöhnliche Art des Vergnügens erleben.«
Sophy erschauderte, zwang sich aber weiterzulächeln. In diesem Augenblick war sie sehr froh, daß sie verkleidet war. »Ich bin überzeugt, Sir, Ihr macht Euch einen Scherz mit mir wegen des Kostüms, das ich heute abend trage. Habt Ihr Eure Freude daran, einer Wahrsagerin die Kälteschauer über den Rücken zu jagen, deren Aufgabe es ist, sonst anderen Kälteschauer über den Rücken zu jagen?«
»Jage ich Euch Kälteschauer über den Rücken, Madame?«
»Den einen oder anderen.«
»Genießt Ihr sie?«
»Nicht sonderlich.«
»Vielleicht werdet Ihr lernen, sie zu genießen. Eine bestimmte Art Frau kann das, mit ein bißchen Übung.«
»Ist das meine Zukunft?« fragte sie und spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden, genau wie heute morgen, als sie Charlotte Featherstone gegenübergestanden hatte.
»Ich möchte Euch die Vorfreude nicht verderben, indem ich Euch einen Einblick in Eure Zukunft gebe. Es wird wesentlich interessanter sein, wenn Ihr Euer Schicksal im Lauf der Zeit erfahrt. Guten Abend, Lady Zigeunerin. Ich bin mir sicher, wir werden uns wieder begegnen.« Der Mann im schwarzen Cape ließ sie abrupt los, verbeugte sich tief über ihrer beringten Hand und verschwand dann in der Menge.
Sophy verfolgte ängstlich, wie er sich entfernte und fragte sich, ob sie ihn in dem Gedränge verfolgen könnte. Vielleicht könnte sie ihn draußen ohne Maske ertappen. Viele Leute verließen den Ballsaal, um sich in Lady Musgroves herrlichen Gärten etwas abzukühlen.
Sophy raffte ihre Röcke und machte sich auf den Weg. Nach kaum vier Metern, packte sie plötzlich eine Männerhand am Arm. Sie wirbelte erschrocken herum und fand sich einem weiteren großen Mann gegenüber, der ähnlich wie ihr vorheriger Partner schwarzes Cape und Maske trug. Der einzige Unterschied war, daß dieser Mann seine Kapuze abgestreift hatte und sein tiefschwarzes Haar zu sehen war. Er verbeugte sich.
»Verzeiht, aber ich suche die Dienste einer Dame Euresgleichen, Madame Zigeunerin. Hättet Ihr die Güte, mit mir zu tanzen und mir meine Zukunft weiszusagen? Ich hatte in letzter Zeit ein wenig Pech in der Liebe, und ich möchte wissen, ob sich das ändern wird.«
Sophy warf einen Blick auf die große Hand auf ihrem Arm und erkannte sie sofort. Julian hatte versucht, seine Stimme zu verstellen, aber sie würde ihn überall kennen. Seit sie mit ihm zusammenlebte, war das Gespür, das sie für seine Nähe hatte, noch intensiver geworden.
Sie bekam ein seltsames Gefühl in der Magengegend, als sie sich fragte, ob Julian sie erkannt hatte. Wenn ja, war er ganz bestimmt wütend auf sie wegen dem, was sie getan hatte, als sie beim Erwachen aus ihrem Nickerchen ein Armband auf ihrem Kissen vorgefunden hatte. Sie hob vorsichtig den Kopf.
»Möchtet Ihr denn, daß es sich ändert,
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