Verfuehrung
ganze Welt die schönen Liebesbriefe sieht, die du deiner Mätresse geschrieben hast, während ich noch nicht einmal eine Einkaufsliste von dir gekriegt habe. Du kannst spotten soviel du willst, aber ich habe auch meinen Stolz.«
Julian starrte sie fassungslos an. »Damit hat dir die Featherstone gedroht? Sie wolle alte Liebesbriefe von mir veröffentlichen?«
»Ja, verdammt noch mal. Du hast einer Mätresse Liebesbriefe geschenkt und machst dir nicht einmal die Mühe, deiner Frau irgendein kleines Zeichen deiner Zuneigung zu geben. Aber das ist wohl sehr verständlich, wenn man bedenkt, daß du ja keine Zuneigung für mich empfindest.«
»Um Himmels willen, Sophy, ich war sehr jung, als ich Charlotte Featherstone kennengelernt habe. Es kann sein, kann aber auch nicht sein, daß ich ihr ein oder zwei Briefchen gekritzelt habe. Um ehrlich zu sein, ich kann mich an die ganze Affäre kaum noch erinnern. Auf jeden Fall tätest du gut daran, nicht zu vergessen, daß sehr junge Männer gelegentlich Sachen an flüchtige Amouren schreiben, die man besser nicht schreiben sollte. Solche Amouren haben keinerlei Bedeutung, das kann ich dir versichern.«
»Oh, ich glaube Euch, Mylord.«
»Sophy, unter normalen Umständen würde ich mit dir nie über eine Frau wie die Featherstone reden. Aber angesichts der bizarren Situation, in der wir uns befinden, gestatte mir, dir eines ein für allemal klarzumachen. In der Art Beziehung, die ein Mann mit einer
Frau wie der Featherstone hat, geht es nicht um Zuneigung. Für die Frau ist es ein Geschäft und für den Mann eine Bequemlichkeit.«
»Eine solche Beziehung hört sich ja fast an wie eine Ehe, Mylord, nur daß dabei die Frau nicht den Luxus genießt, ihre eigenen Geschäftsangelegenheiten zu handhaben, wie das eine Frau der Halbwelt macht.«
»Verdammt, Sophy, deine Position und die der Featherstone kann man doch unmöglich vergleichen.« Julian gab sich offensichtlich Mühe, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren.
»Wirklich nicht, Mylord? Ich muß zugeben, daß ich mir wahrscheinlich nicht den Kopf über meine Altersversorgung zerbrechen muß wie Charlotte, außer Ihr bringt es fertig, Euer Vermögen durchzubringen. Aber ansonsten bin ich mir nicht so sicher, ob ich besser dran bin als Charlotte.«
»Du hast den Verstand verloren, Sophy. Jetzt wirst du irrational.«
»Und Ihr seid absolut unmöglich, Mylord.« Ihre Wut verebbte allmählich. Sophy merkte plötzlich, daß sie unendlich müde war. »Gegen solche Arroganz ist man einfach machtlos. Ich weiß gar nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, es zu versuchen.«
»Du findest mich arrogant, Sophy? Glaub mir, Sophy, das ist nichts im Vergleich zu dem, was ich war, als ich aus deinem Fenster gesehen habe, und du gerade in die Kutsche stiegst.«
Seine Stimme hatte einen neuen, rauhen Unterton, der nichts Gutes verhieß. Sophy war für einen Moment dadurch abgelenkt. »Ich hab nicht gewußt, daß Ihr gesehen habt, wie ich das Haus verlassen habe.«
»Weißt du, was ich gedacht habe, als ich dich in die Kutsche steigen sah?« Julians Blick war smaragdhart.
»Ich nehme an, Ihr wart besorgt, Mylord?«
»Ich dachte, du fährst mit deinem Geliebten weg.«
Sie sah ihn fassungslos an. »Geliebten? Welcher Geliebte?«
»Das war eine der vielen Fragen, mit denen ich mich beschäftigt habe, während ich hinter dir hergeritten bin. Ich hab nicht einmal gewußt, welcher Bastard von allen Bastarden in London dich entführt.«
»Oh, um Himmels willen, Julian, wie konntest du nur so etwas Dummes denken.«
»War es wirklich so dumm?«
»Aber selbstverständlich. Was, in aller Welt, sollte ich denn mit einem anderen Mann anfangen? Ich komme ja nicht einmal mit dem zurecht, den ich habe.« Sie drehte sich um und ging zur Tür.
»Sophy, bleib stehen, wo du bist. Ich bin noch nicht mit dir fertig.«
»Aber ich bin mit Euch ganz fertig, Mylord. Ich hab es satt, mich dafür beschimpfen zu lassen, daß ich den Weg der Ehre gewählt habe. Habe es satt zu versuchen, daß Ihr Euch in mich verliebt. Und ich habe es satt zu versuchen, eine Ehe zu schaffen, die auf gegenseitigem Respekt und Zuneigung beruht.«
»Verdammt, Sophy.«
»Keine Sorge, Mylord. Ich habe meine Lektion gelernt. Von jetzt an werdet Ihr genau die Ehe bekommen, die Ihr wünscht. Ich werde mir Mühe geben, Euch nicht im Weg zu sein. Ich werde mich mit wichtigeren Angelegenheiten beschäftigen - Angelegenheiten, die ich von Anfang an an erste Stelle hätte
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