Vergangene Narben
kennen zu lernen.“ Seine Stimme hatte einen melodischen Klang, die gut zu dem weichen Gesicht mit der schmalen Nase, und den dünnen Lippen passte. Die schwarzen Haare fielen ihm keck um den Kopf, und er hatte ein paar ansehnliche Muskeln vorzuweisen, die in einem von diesen schwarzen Armeeanzügen steckten. Ich fand ihn ganz süß, und im Gegensatz zu vielen anderen Kerlen, überragte er mich auch nicht um zehn Meter – ja, manchmal neigte ich ein wenig zu Übertreibungen. Aber nur manchmal –, sondern sprach mit mir auf Augenhöhe.
Ich setzte gerade zu einer Begrüßung an, als Cheyenne verwirrt die Augenbrauen zusammen zog. „Was macht ihr denn da?“
Aha, jetzt hatte sie Alina und Ayden also doch entdeckt, wie sie beide an ihrem Thron rumhampelten.
„Ich wollte nur mal gucken, wie bequem so ein Thron ist“, sagte Alina frei heraus. „Und er versucht mir deswegen meine noch verbleibende Hand abzureißen.“
„Tu ich gar nicht!“, protestierte Ayden sofort. „Du hast da drauf nur nichts zu suchen.“
„Und das hättest du mir nicht einfach sagen können?“ Sie pustete sich eine türkisen Strähne aus dem Auge, und stand dann äußerst würdevoll auf.
Nicht lachen, nicht lachen, auf keinen Fall lachen!
Gott, wie schaffte dieses Mädel es nur immer Blödsinn zu machen, und dann andere dumm dastehen zu lassen? Das musste ein Talent sein.
Ayden stand da, und wusste scheinbar nicht, was er zu so viel Dreistigkeit sagen sollte. Nein, er war nicht der erste, den sie sprachlos bekommen hatte.
„Cheyenne, darf ich vorstellen, das ist meine Cousine Alina.“
Alina strahlte meine Erzeigerin begeistert an, und schüttelte ihr dann die Hand. „Tachchen, freut mich Sie kennen zu lernen. Ich hab schon so viel über Sie gehört, aber mal ehrlich, Sie sehen gar nicht so hochnäsig aus, wie die Leute immer behaupten.“
Oh Gott, bitte mach dass der Boden sich auftut, und mich einfach verschluckt.
„Ähm … danke. Das ist …“
Seitlich von uns klickten Wolfskrallen.
„Cheyenne?“
Dem Wort folgte die riesige Wolfsgestallt von Sydney. Er war gerade auf dem Ballsaal gekommen.
„Frederik und Madam Laval warten im Roten Raum. Madam Laval ist sehr ungehalten. Ne pas avoir le temps.“
Hörte ich da etwa eine Spur von Spott aus seiner Stimme?
„Ja, ich komme gleich, ich …“
„Cheyenne?!“, wurde meine Erzeugerin da aus einer anderen Richtung gerufen. Diesem mal von Diego, der mit langen Schritten durch eine große Doppeltür den Thronsaal betrat, und zu unserer kleinen Gruppe hinzustieß. „Lord und Lady Baldowers sind gerade eingetroffen, und wünschen von dir persönlich begrüßt zu werden. Und dann wünschen sie ein Zimmer, in dem sie sich bis zu den Feierlichkeiten ausruhen können.“
„Und ich wünschte, Gäste würden sich an die Einladung halten.“ Sie seufzte. „Okay, Sydney, könntest du dich bitte in meinem Namen Lord und Lady Baldowers kümmern, und ihnen mitteilen, wohin sie sich ihre Wünsche stecken können, wenn sie schon nicht die Uhr lesen können?“
Er senkte leicht den Kopf.
„Für dich werde ich mir die höchste Mühe geben.“
Dann trappte er auch schon davon.
„Gut, dann, Diego, kannst du mit Eddy und den anderen bitte die Dienstpläne und Organisation der Wächter heute Abend durchgehen? Höchste offene Sicherheitsstufe, ich will auf der Feier keine Zwischenfälle. Wer ärger macht, fliegt sofort vom Gelände. Auf pöbelnde Betawölfe, habe ich heute überhaupt keinen Bock.“
Diego nickte.
„Okay, danke, und Cio?“
„Ja?“
„Bitte setzt dich mit Ren-Shi zusammen, und erklär ihm wie ein Umbra sich in Anwesenheit so vieler Hoher Wölfe zu verhalten hat. Sag ihm was seine Aufgaben sind, was er zu tun und zu lassen hat, und … gib ihm einfach einen Umbra Crashkurs.“
„Ich darf Mentor spielen?“ In seinen Augen blitzte der Schalk. Fehlte nur noch, dass er sich in freudiger Erwartung die Hände rieb. „Das wird sicher lustig.“
„Das ist eine ernste Angelegenheit, Cio“, ermahnte Cheyenne ihn. „Wenn er einen Fehler macht, dann fällt das auf dich zurück, verstanden?“
Cio schlug die Hacken zusammen, und salutierte übertrieben vor seiner Königin. „Verstanden Sir, General Drill Instructor Sir!“
Das Seufzen, das Cheyenne von sich gab, konnte ich ihr nachfühlen. „Gut, na dann, komm Zaira, eine Madam Laval lässt man nicht warten, nicht wenn wir ne pas avoir le temps.“
„Du kannst französisch?“, staunte ich.
„Ein wenig“, gab sie zu, und schob
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