Vergangene Narben
mich an den andren vorbei zurück in den Ballsaal, wo, wenn es möglich war, noch mehr Betrieb herrschte, als noch vor zehn Minuten. „Als Königin muss man sowas können.“
„Hey wartet auf mich!“ Von hinten stürmte Alina heran, und hakte sich grinsend bei mir ein.
„Und was heißt jetzt ne pas avoi-i-irgendwas?“
Cheyenne schmunzelte, und führte uns die wenigen Stufen zu der erhöhten Ebene hinauf. „Es bedeutet, dass wir keine Zeit haben. Das ist Camilles Lieblingsspruch. Nur deswegen kenne ich ihn.“ Sie zwinkerte mir zu, brachte uns zu einer unscheinbaren Tür an der Seite, und ließ uns zuerst in den Raum dahinter. O-ha, jetzt verstand ich auch, warum Sydney das als den „Roten Raum“ bezeichnet hatte. Hier sah es aus wie in einem kleinen gemütlichen Wohnzimmer, nur das der Fernseher fehlte. Und die Stereoanlage. Und ein Regal. Okay, außer einer gütlichen, roten Sitzecke mit passendem Tisch gab es hier gar nichts. Außer dem roten Teppich, und den roten Wänden, und der roten Decke. Gott, Cheyenne sollte sich dringend einen neuen Innenarchitekten besorgen.
„Das ist ja geil“, kam es von Alina. „Ich glaube das mache ich auch mit meinem Zimmer.“
Und Alina sollte sich dringend etwas gegen ihre Geschmacksverirrung besorgen.
In der Ecke hing ein mannshoher Spiegel, neben einer weiteren Tür. Mitten im Raum stand ein verlorener Stuhl, und der Tisch war überlaufen mit Kosmetikern. Direkt daneben stand eine verhüllte Schneiderpuppe, von der ich mir schon sehr genau denken konnte, was sie verbarg.
„Da seid ihr ja endlich!“ Von der Seite wurde ich plötzlich am Arm gepackt, und weiter in den Raum gezogen. Zwei flinke Hände drapierten mich genau vor dem Tisch, nahmen mir Flair aus dem Arm, und dann wurde ich ausgiebig gemustert. „´ast du nur ´ässliche Brillen?“ Madam Laval schnipste mit den Fingern, und aus der Ecke kam eine kleine Blondine mit blauer Strähne angerannt. „Sie´ Veronique, die ´aare, und … parbleu! Ist das etwa ein blaues Auge? Mon Dieu, warum nur ´eute? Ce n`est pas possible. Königin Cheyenne!“ Sie wirbelte zu meiner Erzeugerin herum. „Warum tut Ihr mir sowas an? was ´ab isch Euch getan?“
Diese Veronique winkte ab. „Halb so schlimm, Camille, das bekomm ich hin, und was die Haare angeht, hm …“ Sie umrundete mich einmal, zupfte hier an einer Strähne, und dort an einem Haar. „Was hältst du von Extensions?“
„Ähm … gehen die Haare davon nicht kaputt?“
„Ach-i wo. Du musst sie nur ein bisschen anders pflegen, als bisher. Ich kann dir natürlich auch ein Haarteil geben, aber …“
„Sowas wie ein Toupet?!“, kam es entsetzt von Alina. „Oh nein, da machen wir nicht mit. Zaira will die Extensions.“
„Ach, will ich das?“
„Aber sowas von“, behauptete Alina, und Flair kläffte in dem Moment auch noch. „Siehst du, dein Hund stimmt mit zu.“
Der Meinung war ich zwar nicht, aber okay, ich sagte nichts. „Gut, dann Extensions, und … ach macht einfach mit mir was ihr wollt, schlimmer kann´s nicht werden.“
Ganz langsam breitete sich auf Veroniques Gesicht ein Lächeln aus. „Genau das wollte ich hören.“ Sie rieb sich die Hände. „Komm, wir machen aus dir jetzt eine richtige Prinzessin.“
„Aber der Unterricht, sie kann noch immer nicht in den Schuhen laufen“, kam es da vom Sofa.
Ach Fred war ja auch hier, und Veroniques Beschluss schien ihn nervös zu machen.
„Non“, sagte Camille da sofort. „Erst sind wir dran. Die ´haare, das Make-up, das Kleid. Veronique, hast du an die Kontaktlinsen gedacht?“
„Aber natürlich. Die liegen schon auf dem Tisch.“
„Aber ich muss ihr noch zeigen, wie sie sich bewegen muss“, protestierte Fred. „Und tanzen, und …“
„Tanzen!“, kam es da entsetzt von Cheyenne. „Scheiße, ich wusste das ich was vergessen hatte. Der Tanzunterricht!“
Scheiße? Nicht schlecht für eine Königin. „Keine Sorge, ich kann Tanzen, ich habe Unterricht gehabt“, versuchte ich sie zu beruhigen.
„Wirklich?“, fragte sie hoffnungsvoll. Sie hatte ja irgendwo recht. Auf einen Ball zu gehen, ohne tanzen zu können, wäre wirklich … nun ja, scheiße.
„Ja. Ich hab getanzt, sogar fast ein Jahr lang. Gleich nachdem ich es mit Gymnastik versucht hatte, und bevor ich in den Töpferunterricht gegangen bin.“
Cheyenne runzelte die Stirn. „Töpferunterricht?“
„Klar“, grinste ich. „Ich war früher ziemlich unentschlossen, und hab alle halbe Jahre etwas Neues angefangen. Papa ist fast
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