Vergangene Narben
weißen Schnee gelb färbte – war ja auch frech von dem.
„Zum ersten Mal in München, wie?“
Ich sah nach vorne, und lächelte leicht, so wie mein Vater es mir schon al kleines Kind beigebracht hatte: Ohne die verräterischen Beißerchen zu zeigen. „Woran haben sie das erkannt?“ Sah ich etwas aus wie der typische Tourist? Eigentlich ja nicht, das Hawaiihemd fehlte, genauso wie die schrecklichen Latschen, die selbst für mich an völlige Geschmacksverirrung grenzten. Obwohl sie ja doch recht bequem waren – nicht dass ich da aus eigener Erfahrung sprach. Natürlich nicht.
„Ihre Augen sind groß wie Teller“, schmunzelte sie, und hielt an einer roten Ampel. „Sie müssten die Stadt im Frühling sehen, ohne diesen ganzen ekligen Schneematsch. Dann ist sie wunderschön. Aber dieses Jahr will der Winter überhaupt nicht weichen.“
„Also ich mag den Winter eigentlich sehr gerne“, gab ich zu. „Da wirkt irgendwie alles so unschuldig und rein.“
„Ja, aber es ist saumäßig kalt.“ Die Ampel schaltete auf grün, und das Taxi setzte sich wieder in Bewegung, um zwei Kreuzungen weiter nach rechts in eine kleine Seitenstraße mit Hochhäusern abzubiegen.
„Man muss sich nur warm genug anziehen“, erklärte ich. „Wie sagt meine Mutter immer? Es gibt kein falsches Wetter, nur falsche Kleidung.“
Sie schnaubte belustigt. „Ihre Mutter ist eine weise Frau.“
Ja, meine Mutter, aber nicht meine Erzeugerin. Doch wie die tickte, würde ich schon sehr bald rausbekommen.
Das Taxi fuhr in eine weitere Seitenstraße mit Pflastersteinen, die das ganze Auto ordentlich durchschaukelten. Auch hier gab es nichts als Hochhäuser, und zwischendurch mal ein kahles Bäumchen, mit einer weißen Schneekrone. Diese Straße war mein Ziel, und zwei Minuten später hielt die Fahrerin auch vor der richtigen Hausnummer.
Ich bezahlte, legte noch ein Trinkgeld von fünf Euro oben drauf, und verabschiedete mich dann mit einem Gruß, bevor ich die Wagentür öffnete. Flair war die erste die ausstieg, und dabei einen großen Bogen um eine nasskalte Pfütze machte. Wäre sie ein großer Hund gewesen, hätte ich wahrscheinlich mit der Nase voran eine etwas zu vertraute Bekanntschaft mit dieser Pfütze gemacht, aber so lief sie nur in die Leine, während ich noch damit beschäftig war meine Tasche vom Rücksitz zu sammeln. Noch eine kleine Pinkelpause, und ein Häufchen, und dann standen wir vor der Tür. Nach dem klingeln musste ich auch nicht warten, bis der Summer ertönte, und mich ins Haus einlud.
Flair landete wieder in meinen Armen, als ich die Treppe in die zweite Etage beschritt. Nicht dass sie nicht alleine laufen konnte, doch sie war so klein, und von zu vielem Treppensteigen würden ihre Knochen zu sehr belastet werden, daher hatte ich ihr beigebracht an jeder Treppe artig auf mich zu warten, wenn sie mehr als der Stufen haben sollte.
Oben wurde ich bereits von einer etwas blassen Blondine in einfachen Jeans und Shirt in der Wohnungstür erwartet. Sie lächelte mir breit entgegen, wie auf dem Profilbild dass ich von der Vampirfanseite, von ihr kannte, und zeigte dabei ein paar goldige Grübchen um die Mundwinkel. „Du bist dann wohl Hybrid Canis 01.“
„Ja, aber du kannst mich auch einfach Zaira nennen.“ Ich reichte ihr zur Begrüßung die Hand, doch das braunhaarige Mädchen, das Gwendolyn sein musste, hatte etwas anders im Sinn. Sie zog in die Arme, und drückte mich so fest an sich, dass mir fast die Luft wegblieb – hm, irgendwie roch sie seltsam. Erst als Flair in meinem Arm anfing zu zappeln, ließ sie wieder von mir ab.
„Oh, der ist aber süß. Darf ich sie mal nehmen?“ Und schwupp, schon hatte sie mir meinen Hund abgenommen.
Warum fragte sie eigentlich, wenn sie doch scheinbar gar keine Antwort haben wollte?
„Wie heißt er?“
„Das ist ein Mädchen, und sie heißt Flair.“ Ich schob die Brille zurück auf meine Nase.
„Flair, wie süß.“ Sie knuddelte meine kleine Fußhupe noch ein wenig, und forderte mich dann dazu auf, endlich reinzukommen. „Und wie alt ist sie?“
„Im Sommer wird sie vier Jahre.“ Vor mir öffnete sich ein ziemlich heller Flur, zwar ein bisschen chaotisch, aber sauber und freundlich.
„Tut mir leid, wegen der Unordnung“, entschuldigte sich Gwendolyn, und schloss die Wohnungstür. „Aber ich wohne hier mit drei Kerlen, und meiner Freundin Izzy zusammen, und die sind alle Schweine.“ Sie winke mich hinter sich her, und steuerte den hintersten Raum an, aus dem laute
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