Vergangene Narben
neugierig unter dem Kissen hervor lugte. „Alina hat gesagt, sie hat dich nicht geküsst, und …“
„Alina?!“, fragte er aufgebracht, und hielt mitten in der Bewegung inne, um mich erstaunt anzustarren. „Ich rede nicht von deiner Cousine, ich rede von deinem durchgeknallten Freund Kian, der mir eben die Zunge in den Hals gesteckt hat!“
Das ließ meinen Mund sehr wirksam wieder zuklappen. Was hätte ich darauf auch erwidern sollen?
Alina hatte dieses Problem nicht. Sie richtete sich in meinem Bett so ruckartig auf, das Ayden erschrak. Er hatte ihre Anwesenheit bis jetzt gar nicht wahrgenommen. „Heißt das du bist auch schwul?“
„Was?! Nein, auf keinen Fall! Ich bin doch nicht so eine scheiß Schwuchtel!“
„Das hat sich eben aber ganz anders angefühlt“, erklang in dem Moment Kians Stimme von meiner Tür. Einen Moment später stand er in meinem Zimmer. „Wenn ich mich recht erinnere, hast du mir zuerst die Zunge in den Mund gesteckt.“ Ganz ruhig sagte er das, als er sich mit verschränkten Armen neben der Tür an die Wand lehnte.
Aydens Gesicht wurde erst weiß wie Schnee, und dann krebsrot. „Willst du mich verarschen?! Du bist doch wie ein geiler Bock über mich hergefallen!“
„Und du hast dich nicht sonderlich dagegen gewehrt“, schoss Kian zurück. „Egal wie sehr du jetzt hier rumspinnst, dass ändert nichts an der Tatsache, dass du es warst, der mir als erstes an den Mandeln gelutscht hat.“
„DAS HAB ICH NICHT GETAN!“, schrie er meinen Kumpel an, und sah aus, als würde er jeden Moment auf ihn losgehen, nur damit er endlich die Klappe hielt.
Langsam kam ich mir hier vor wie in einer dieser Talkshows. Oder einer schlechten Seifenoper. Hallo? Hatten wir nicht genügend andere Probleme?
Kian schüttelte missbilligend den Kopf. „Du kannst erzählen was du willst, ich weiß was passiert ist, ich war schließlich dabei, falls du es vergessen haben solltest.“
„Wie könnte ich das vergessen!“, fauchte er Kian an, und raufte sich wieder die Haare. Sah zur Decke, zu mir, zu ihm, und wieder zur Decke, als wüsste er nicht, wohin er seinen Blick wenden sollte.
„Mach dir nur selber was vor“, gab Kian völlig ungerührt von sich. „Behaupte was du willst, du bist schwul. Oder zumindest Bi“, schränkte er ein.
Das brachte das Fass zum überlaufen. Ayden sah aus wie ein Reh im Scheinwerferlicht, dass in seiner Panik nicht wusste, wohin es laufen sollte. „Ich bin nicht schwul!“, schrie er ihn an. In seiner Verzweiflung irgendjemand in diesem Raum könnte genau das glauben, huschte sein Blick hecktisch hin und her, bis er auf Alina hängen blieb. Zwei Schritte brachten ihn zu ihr ans Bett, und bevor noch einer recht wusste, was hier passierte, packte er ihr Gesicht, und küsste sie. Küsste sie eine ganze Weile, in der ich um Kians Gebiss fürchtete, so wie er mit den Zähnen knirschte.
O-kay, damit hatte ich jetzt gewiss nicht gerechnet. Ich glaubte nicht mal, dass Ayden selber damit gerechnet hatte.
Alina sah Ayden mit großen Augen an, als er sich schwer atmend von ihr löse. „Ähm …“
„Willst du meine Gefährtin werden?“, schoss es geradezu aus ihm heraus.
„Was?“, kickste Alina, um gleichen Moment als Kian „WAS?!“, rief.
„Ist das dein ernst?“, wollte meine Cousine wissen.
Er nickte, den Blick fest in ihre Augen gerichtet.
Okay, es war wohl an der Zeit einzuschreiten, obwohl ich mich da lieber nicht einmischen wollte. „Nein, es ist nicht sein ernst.“ Das war eine Panikreaktion. Davon zumindest ging ich aus.
Aydens drohender Blick richtete sich auf mich. „Halt dich da raus“, knurrte er mich an.
Ich schluckte, und hätte ich nicht im Sessel gesessen, ich wäre sicher vor ihm zurückgewichen. Trotzdem versuchte ich mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. „Ayden, ich glaube du machst einen gewaltigen Fehler, wenn du das jetzt durchziehst.“
Er stierte mich an, eine ganze Weile, schloss dann resigniert die Augen, und atmete tief ein. Seine Hände rutschten von Alinas Gesicht ab, als er sagte: „Ich bin nicht schwul.“
Ob er es nun war oder nicht – und ich war mir im Moment nicht so sicher, dass er es nicht war –, dieser Antrag geschah aus den falschen Gründen. „Könnt ihr beide euch mal bitte verziehen?“ Ich sah von Alina zu Kian. „Ich will mit Ayden alleine reden.“ Solange so viele Leute dabei waren, würde er nicht frei sprechen, und ich war mir sicher, dass er mit mir reden wollte. Warum sonst sollte er
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