Vergangene Narben
„Obwohl eine Aspirin es auch schon tun würde.“
„Du kannst einfach nie ernst bleiben, oder?“
„Doch kann ich, nur …“
Als es am Fenster klapperte, war ich nicht die einzige in diesem Bett, die zusammenzuckte. Wir fuhren zeitglich hoch, um nachzugucken, was dieses seltsame Geräusch verursacht hat, doch außer der nächtlichen Dunkelheit und den Schatten war dort draußen nichts zu sehen.
Ich verengte die Augen, doch bei meiner Nachtblindheit half das leider nicht wirklich. Die Dunkelheit blieb für mich weiter unergründlich.
„Da ist etwas vor dem Fenster, auf dem Sims“, sagte Cio leise, und in dem Moment hörten wir wieder das Geräusch. Wie krallen, die in unmenschlichen Tönen über das Glas kratzten.
„Was ist das?“
„Keine Ahnung.“ Bei diesen Worten hatte er mich schon losgelassen, und war halb aus dem Bett geschlüpft. Auf leisen Sohlen flitzte er durch das Zimmer zum Lichtschalter, und einen Klick später wurde ich so geblendet, dass ich erst mal die Augen zukneifen musste. Doch das Knurren, das aus Cios Kehle drang, veranlasste mich ganz schnell dazu, das Fenster zu fixieren, nur um verwundert die Stirn zu runzeln. Da draußen auf dem bröckligen Sims stand ein Leopard, der mit seinen schillernd grünen Augen zu uns hineinblinzelte, und erneut die Pfote hob, um zwischen den Streben des Gitters am Glas zu kratzen.
Ich brauchte einen Moment, um mir darüber klar zu werden, was genau ich da draußen sah. „Fujo“, kam es dann über meine Lippen. Ich sprang aus dem Bett, lief zum Fenster, und riss es auf. Natürlich, ich hatte sie noch nie in ihrer Tiergestallt gesehen, aber ihre Größe zeigte mir, dass ich es hier mit keinem ausgewachsenen Therianthropen zu tun hatte, und wer außer Fujo würde sonst hier her kommen? „Fujo, was machst du da? Das ist gefährlich, du könntest anstürzen.“
Sie blinzelte einmal nervös in die Tiefe, schließlich befanden wir uns hier in der zweiten Etage des Schlosses, aber die Höhe schien ihr keine Angst zu machen. „Ich b-b-bin gut im b-balancieren.“
Als ich mich vor dem Gitter auf den Boden kniete, trat Cio hinter uns. Seine Anspannung konnte ich spüren, ohne ihn ansehen zu müssen.
„Aber der Sims ist kaputt“, hielt ich dagegen. „Wenn er bricht, hilft dir dein Gleichgewichtssinn auch nicht mehr viel.“
„A-a-aber ich m-m-musste kommen. D-deine Eltern, sie h-h…“
„Sie sind hier, ich weiß.“ Ich legte meine Hände an das Gitter. „Ich habe meinen Vater bereits gesehen.“
„Es t-tut mir leid“, sagte sie leise, und wandte den Blick ab. In ihren Augen schimmerten Tränen. „Ich w-w-wollte nichts sagen, a-aber G-grootv-vader h-hat ge-gesehen wie wir uns un-un-unterhalten h-h-haben, und wollte w-wissen w-w-worüber.“
„Und da ist dir nichts besseres eingefallen, als Zsa Zsas Leben zu ruinieren?“, fragte Cio kalt hinter mir. „Dafür zu sorgen, dass ihre Eltern entführt werden, und ihr Hund getötet?“
Bei den letzten Worten riss sie den Kopf herum. „F-Flair ist t-t-tot?“
Darauf brauchten wir nicht zu antworten, aber unser schweigen sprach Bände.
Nun kullerten der Kleinen dicke Tränen aus den Augen. „Das wollte i-ich nicht. A-aber mein Grootv-vader ist doch d-d-der ein-einzige der mich nicht wegge-ge-geben hat. E-er ist d-doch a-a-alles was ich h-habe.“
Ich seufzte. Natürlich glaubte sie das, wenn ich daran dachte, wie ihre Eltern sie wegen ihres Sprachfehlers verstoßen hatten. Der Einzige Mensch dem einem in seinem kläglichen Leben geblieben war. Wer würde nicht alles tun, um ihn zu behalten, und ihm zu gefallen?
„I-ich wusste nicht, w-was passieren w-würde.“
„Also hast du ihnen gesagt, wo ich mit meinen Eltern lebe“, stellte ich fest.
Sie nickte nur, wich meinem Blick aus.
„Und dann haben die Therianthropen meine Eltern entführt.“
„I-ich … es tut mir L-l-leid. I-i-ich wollte dir helfen, ich h-hab d-dir gesagt, w-wo sie sind. A-an dem Morgen, a-a-als du w-weggelaufen bist.“
„Gennissis Scar. Ich erinnere mich. Wir waren auf den Schilf, aber meine Eltern waren nicht da.“
Ihre Stirn legte sich leicht in Falten. „Gen-gennissis Scar?“
„Na das Schiff auf das du mich geschickt hast. Das …“ Bei ihrem verwirrten Blick klammerten sich meine Finger fester um das Gitter. „Hast du das gar nicht gemeint?“
Sie schüttelte den Kopf. „ G-g-gravin Scar. D-deine Eltern, sie sind b-b-bei der Gräfin mit den Narben. G-gravin heißt G-g-gräfin.“
Während mein
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