Vergangene Narben
schnaubte. „Die Untertreibung des Jahrhunderts.“
Damit hatte er vermutlich recht. „Wenn du es ihm sagst, rettet das zwar weder mich noch meine Eltern, oder Cheyenne, aber es gibt uns die Zeit die wir dringend brauchen um hier zu verschwinden. Deswegen, bitte.“
Sie war unsicher, glaubte nicht, dass ihre Worte genug Kraft hatten, um uns zu helfen. „I-i-ich kann es versuchen, aber nichts v-v-versprechen. Mein G-grootv-vader ist …“
Als draußen auf dem Korridor Stimmen aufkamen, wirbelten drei Köpfe zur Tür. Ein Schlüssel klimperte.
„Schnell“, sagte ich zu Fujo. „Verschwinde.“
Sie nickte, und drehte sie in einer halsbrecherischen Bewegung auf dem Sims herum, bevor sie in die Nacht verschwand.
„Und rede mit deinem Großvater!“, rief ich ihr noch leise hinterher, als der Schüssel ins Schloss gesteckt wurde. Ich war auf den Beinen, noch bevor die Tür geöffnet war, und einen Moment war ich am überlegen, ob ich vielleicht einfach vorstürmen sollte, um zu versuchen zu entkommen, doch als ich den kaltäugigen Mann sah, von dem ich wusste, dass er eine Waffe bei sich trug, machte ich lieber einen Schritt zurück.
Der Mann runzelte die Stirn. Sah von mir zu Cio, und weiter zu dem offenen Fenster. Hatte er etwa etwas gehört? Mein Herz trommelte verräterisch in meiner Brust. Wenn er es nun mitbekommen hatte, würde er versuchen Fujo abzufangen, um sie daran zu hindern ihrem Großvater alles zu erzählen?
„Ich hab immer noch Kopfschmerzen“, sagte Cio da. „Ich dachte ein wenig Frischluft würde mir gut tun.“
Er glaubte ihm nicht, das war mehr als nur deutlich. „Diese Gitter sind werwolfsicher, ihr werdet sie nicht entfernen können.“
Er dachte dass wir versucht hätten zu entkommen? Sein Verdacht war auf jeden Fall besser, als die Wahrheit. So war Fujo außer Gefahr. Ob er wohl die Gerölllawine hörte, die mir vom Herzen fiel?
Scheinbar nicht, denn er trat einfach nur zur Seite, und ließ einen anderen Mann mit einem Silbertablett eintreten, das er neben der leeren Vase auf das Nachtschränkchen abstellte.
Wo hättest du mich denn gerne? Auf dem Sessel? Auf dem Bett? Auf einem Silbertablett?
Ich versuchte ein Kichern zu unterdrücken. Warum musste ich jetzt ausgerechnet daran denken? Diese Situation war absolut nicht witzig, aber ich konnte nichts dagegen tun, dass mir ein Lachen entschlüpfte. Gott, ich musste mit den Nerven mehr am Ende sein, als es mir bisher klar gewesen war, doch alle Belustigung erstickte im Keim, als ich sah, wer da noch in den Raum kam.
Iesha.
Ihr Blick klebte sofort auf mir und Cio, maß den Abstand zwischen uns, doch als ich schon reflexartig einen Schritt von ihm wegmachen wollte, griff er meine Hand, und hielt mich demonstrativ fest.
Ieshas Blick verfinsterte sich. „Du hast es dir also immer noch nicht anders überlegt.“
„Nein.“
Sie schüttelte über so viel Sturheit den Kopf. „Das wirst du noch.“
„Darauf kannst du lange warten, den ich gebe meine Prinzipien nicht einfach so für ein verlogenes Miststück auf, nur weil ich bei ihr meine sadistische Ader ausleben könnte.“
Das waren wohl nicht die Worte gewesen, die sie hören wollte. Ihr Blick verdunkelte sich vor Hass, aber gleichzeitig sah ich auch den Schmerz in ihren Augen. Ja, es stimmte wohl, bei diesem Mädel lief im Kopf eindeutig etwas nicht ganz richtig, aber das änderte nichts daran, dass ihre Gefühle für Cio echt waren. Und dass er sie so behandelte, ließ sie leiden.
Trotzdem konnte ich keinerlei Mitgefühl für sie aufbringen, nicht nachdem was sie getan hatte.
„Bevor dieses fette Flittchen aufgetaucht ist, hast du dich daran ausgesprochen gut erfreut.“
„Wenn du es genau wissen willst, habe ich immer nur mit gemacht, weil es
dich
so erfreut hat.“ Er schüttelte den Kopf wie über sich selber. „Aber das hat jetzt sowieso keine Bedeutung mehr. Geh spielen, und halte weiter an deiner krankhaften Einstellung fest. Ich werde mich dir sicher nicht anschließen. Wir sind geschiedene Leute, Iesha.“
Sie drückte die Lippen zu einem dünnen Stricht zusammen, und spießte mich mit einem so hasserfüllten Blick auf, dass ich eigentlich Angst verspüren sollte. Aber da war nur Abscheu. Das war sie meinem Vater angetan hatte, damit hatte sie jegliche Sympathie und Verständnis, dass ich vielleicht noch hätte für sie aufbringen können, verspielt. Es war wohl das erste Mal in meinem Leben, dass ich ein anderes Wesen wirklich hasste.
„Wie du
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