Vergangene Narben
herumwirbelte. Er preschte vor, als wollte er sie frontal in die Seite rammen, kalkulierte sogar mit ein, dass sie wieder versuchen würde auszuweichen, und trotzdem sprang er ins Leere, Naomi kaum einen Meter von sich entfernt.
Er knurrte frustriert auf, und sprang dieses Mal eiskalt auf sie zu, um sie zu packen. Um ein Haar gelang es ihm auch, doch Naomi ließ sich im letzten Moment einfach flach auf den Boden fallen, und sah zu, wie der große Wolf über sie rüber sprang.
Dieses Spiel trieben die beiden in den nächsten Minuten mehrmals, bis Cerberus frustriert grollte.
„Bist du ein feiges Kaninchen? Das ist kein Kampf, das ist …“
Plötzlich schoss Naomi so schnell vor, biss ihm ins Ohr, und sprang wieder weg.
Cerberus jaulte auf, schüttelte den Kopf, als könnte er so den Schmerz loswerden, und wirbelte zu ihr herum, doch da hatte sie sich schon wieder in Bewegung gesetzt. Sie sprang ihm einfach auf den Rücken, verbiss sich in seinem Nacken, und zog und zerrte daran, bis die Zähne durch die Haut drangen. Dabei zerkratzte sie ihm den breiten Rücken in dem Versuch nicht runter zu fallen.
Cerberus brüllte auf, schnappte nach, und ließ sich dann einfach zu Boden fallen, als er sie nicht zu fassen bekam. Er war versucht sie einfach unter sich zu begraben, doch sie war schon wieder aus seiner Reichweite, und wartete geduldig blickend ab, was er jetzt tun würde.
Sie spielt mit ihm, wurde mir klar. Sie wusste ganz genau was sie da tat, und das was sie ihm nicht durch Stärke und roher Gewalt entgegensetzen konnte, glich sie mit List und Tücke aus.
Wir alle hatten uns getäuscht. Jeder hier hatte geglaubt, dass ihre Herausforderung ein Selbstmordkommando sei, dass sie keine Chance gegen den König habe, doch niemand hatte dabei ihre Vergangenheit bedacht. Niemand hatte sich bewusst gemacht, was es genau bedeutete, dass sie einst als Prinzessin in diesem Schloss gelebt hatte.
Sie hatte gekämpft. Jeden verfluchten Tag in den letzten Jahren hatte sie ums Überleben gekämpft, und sich dabei eine Stärke angeeignet, die Cerberus niemals erreichen würde – nicht mal, wenn er dasselbe durchleiden müsste wie sie. Und das bekam er nun zu spüren.
Ja, sie war eindeutig schwächer als er, aber sie war viel schneller, und schaffte es immer wieder ihn mit Bissen zu attackieren, aber ihm gelang es nicht ein einziges Mal sie zwischen die Zähne zu bekommen. Sie biss ihm in die Schnauze, in die Beine, den Rücken, Hals, Nacken, Rute. Immer nur kurz aber fest, und dann sprang sie wieder aus seiner Reichweite.
Cerberus blutete bereits aus vielen kleinen Wunden, und sein Atem ging schon lange nicht mehr so ruhig, wie er sich das wohl gewünscht hätte. Sie machte ihm mürbe. Sie ließ sich Zeit, wartete geduldig, und machte ihn mit jedem neuen Angriff ein kleinen wenig müder.
Doch er verstand es nicht. Seine Flanken zitterten, seine Brust hob und senkte sich in einem schnellen Rhythmus, aber er achtete gar nicht auf diese Zeichen der Schwäche, die ihm sein Körper sandte. Die Frustration trieb ihn immer wieder dazu an, ihr hinterher zu jagen, mehr Energie aufzubringen, um seine Beute zu schnappen, um ihr zu zeigen, wer hier der Stärkere war, und merkte dabei nicht, dass seine Bewegungen immer träger wurden, und er immer wieder Fehler machte.
Als er dann auch noch bei einem Manöver über seine eigenen Beine stolperte, und Naomi das sofort ausnutzte, um sich ein weiteres Mal in seinen Nacken zu verbeißen, schien bei ihm eine Sicherung durchzubrennen. Plötzlich biss er wild um sich, jagte ihr unkontrolliert hinterher, in dem Versuch ihn zu erwischen, und bemerkte dabei gar nicht, dass Naomi ihn in eine Falle lockte.
Auch der Rest des Rudels peilte das erst, als es geschah.
Naomi rannte direkt auf die Mauer des Schlosses zu – viel zu schnell. Achtete dabei genau darauf, dass Cerberus in seiner blinden Wut direkt hinter ihr war, und da geschah es. Im letzten Moment wich sie zur Seite aus. Doch er schaffte es nicht mehr abzubremsen. In voller Geschwindigkeit krachte er gegen die Mauer. Sein Aufjaulen schallte über den ganzen Platz, und noch bevor er die Benommenheit abschütteln konnte, stürzte Naomi sich mit gebleckten Zähnen auf ihn, und verbiss sich in seiner Kehle.
„Hilf ihr“,
flüsterte da eine Stimme.
Einen Moment abgelenkt, sah ich mich um, doch da war niemand, und das Knurren der Wölfe zog meine Aufmerksamkeit sofort zurück auf das Geschehen.
Ihre Kiefer drückte sie dabei so fest
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