Vergangene Narben
und mir Bescheid gesagt.“ Na hoffentlich kam ich für diese dicke Lüge nicht in die Hölle.
„Das heißt du kommst heute nicht mehr nach Hause?“
„Nein“, sagte ich vorsichtig. „Ich denke nicht.“
„Und du bist nicht von alleine auf die Idee gekommen, mich darüber vielleicht zu Infomieren?“
Das war eine Fangfrage, bloß nicht drauf antworten. „Tut mir leid, aber das muss mir in der Aufregung irgendwie entfallen sein.“
„Dir entfällt in den letzten Tagen eine ganze Menge.“
Einmal hatte ich was vergessen. Das würde er mir wahrscheinlich noch in zehn Jahren vorhalten. „Tut mir leid, ich bin im Moment halt irgendwie ein bisschen zerstreut.“
Wieder blieb es ruhig. „Ist alles okay bei dir? Du hörst dich irgendwie seltsam an.“
Oh nein, Alarmstufe Rot! „Seltsam?“, fragte ich etwas kicksig, fehlte nur noch dass ich in hysterisches lachen ausbrach.
„Zaira, ist bei dir wirklich alles in Ordnung?“ Das Stirnrunzeln in seiner Stimme war geradezu zu hören.
„Was sollte denn bitte nicht in Ordnung sein?“ Genau, Gegenfragen waren immer besser als Antworten.
Nur leider schien er das anders zu sehen. „Das versuche ich ja gerade herauszufinden.“
Und das war gar nicht gut – zumindest nicht für mich. „Mir geht’s gut, Papa.“ Das war die Wahrheit. „Ich bin nur wegen der Stute ein wenig nervös.“ Das hingegen war eine dicke, fette Lüge.
„Und da bist du dir sicher? Du bist doch nicht in irgendwelchen Schwierigkeiten, oder?“
In Schwierigkeiten? Was bitte sollte den diese Frage jetzt? „Nein, Papa, mit mir ist alles in bester Ordnung.“
„Okay.“ Er seufzte. „Ich hohle dich dann ab, wenn du da fertig bist. Wie lange glaubst du dauert das?“
Wie lange? Mist, warum musste mein Vater nur immer alles so genau wissen wollen? „Keine Ahnung. Kann aber noch ein bisschen dauern.“
„Und wie lange ist ein bisschen?“
„Vielleicht bis spät in die Nacht? Oder in die frühen Morgenstunden hinein?“ Mist, diese Lügerei wurde immer Schwieriger. „Pass auf, Papa. Mach dir keine Sorgen. Wenn es zu lange dauert, dann haue ich mich einfach in Sonjas Gästezimmer aufs Ohr, okay?“ Ich wusste dass ihm das absolut nicht in den Kram passen würde, und bereitete mich schon auf eine ausgewachsene Diskussion vor. Daher war ich auch völlig überrascht, als er mit einem einfachen „In Ordnung“ antwortete.
„Aber ruf mich an, falls etwas sein sollte, oder ich dich doch abholen soll. Ich will nicht dass du nachts alleine draußen rumläufst.“
Oh man, dass war wieder so typisch väterlich. „Papa, Koenigshain ist ein kleines Kaff, was soll mir da denn bitte schon passieren?“
„Kleines Kaff oder nicht, einem jungen Mädchen kann nachts auf der Straße immer etwas passieren. Es gibt genug Idioten da draußen.“
Da hatte er wohl recht.
„Versprich mir einfach, dass du anrufst, damit ich dich abholen kann, wenn du aus welchen Gründen auch immer doch nach Hause willst.“
„Okay, mach ich.“ Da es diese Stute nicht gab, war das auch keine direkte Lüge. Zumindest versuchte ich mir das einzureden, um mein schlechtes Gewissen ein wenig zu beruhigen. Oh Gott, ich hatte meine Eltern noch nie so extrem angelogen. Dafür würde ich sicher in der Hölle schmoren. „Aber rechne nicht damit. So wie das hier aussieht, kann es noch eine Weile dauern.“
„Und wann kommst du dann nach Hause?“
„Morgen nach Arbeit.“ Mist, warum hatte ich das jetzt gesagt?
„Ja, morgen Abend. Und grüß Mama von mir.“
Er lachte. „Ich glaube deine Mutter ist die einzige, die glücklich darüber ist, dass du mal ein paar Tage weg bist.“
Ja, ich konnte mir auch gut vorstellen warum. So gut kannte ich meine Mutter. „Bis Morgen Papa.“
„Bis Morgen, mein Schatz.“
Bevor er noch weiter reden konnte, und mich mit seiner Fragerei noch nervöser machte, legte ich schnell auf. Dann atmete ich tief durch, und ließ meinen Kopf hängen. „Wenn ich da morgen nicht auftauche, dann reißt er mir den Kopf ab.“
Flair stellte die Ohren auf.
„Meinst du dass ich das schaffen kann? Also meine Mutter treffen, und morgen rechtzeitig zurück in Koenigshain sein, bevor er merkt was los ist?“
Sie winselte.
„Wenn nämlich nicht, dann muss ich mir eine verdammt gute Ausrede einfallen lassen, warum ich wieder nicht nach Hause komme. Hast du vielleicht eine Idee, weil mir will nichts mehr einfallen.“
Flair setzte sich hin und kläffte.
Na wenigstens einer von uns musste sich keine Sorgen machen, von dem Vater
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