Vergangene Schatten
ihre schönen Träume durch die nüchterne Realität ersetzte, »wo steht denn dein Motorrad?«
»Vor deinem Haus. Ich musste ja ... na ja ...«, sagte er und verzog das Gesicht.
»Du meinst, du musstest Shelby nach Hause fahren?«, sprach Carly den Satz für ihn in zuckersüßem Ton zu Ende. Draußen vor dem Fenster sah sie das Sheriff-Büro vorüberziehen, und es wurde ihr bewusst, dass sie zu ihr nach Hause fuhren. Brachte er sie etwa direkt nach Hause? Sie wollte nicht fragen - jedenfalls nicht, bevor sie sich über einige Dinge im Klaren war. Ihre Gefühle zum Beispiel. Und ihre Einstellung zum Thema Sex. Und natürlich Matt.
»Ja«, sagte er und sah sie kurz an. »Wer hat dir das denn erzählt?«
»Ist das so wichtig?«, entgegnete sie und sah ihm ins Gesicht. Das Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinflutete, verlieh seinen Wangen einen goldenen Schimmer. Mit seinen fein geschnittenen Gesichtszügen, den dunklen Augen, dem gewellten schwarzen Haar und dem Hauch von Bartstoppeln im Gesicht sah er so sexy aus, dass es ihr fast den Atem nahm. Er war ihr Matt, ihr umwerfend aussehender Matt, der zuerst ihr bester Freund und dann ihr Traummann geworden war - doch die Sache hatte einen Haken, wie sie sich schmerzhaft in Erinnerung rief: Er war nicht ihr Matt, auch wenn sie es sich noch so sehr wünschen mochte. Wj^nn sie sich einst, als sie noch Kinder waren, in ihn verliebt hatte und sich an ihren Gefühlen seither nichts geändert hatte, dann war das ihr Problem, nicht das seine. Gewiss, er hatte kein Geheimnis daraus gemacht, was er für sie empfand. Er liebte sie auch - nur eben nicht auf diese Weise.
Nicht so, wie sie ihn liebte.
Was eine ziemliche Katastrophe war - zumindest für sie.
»Nein, Gott, nein. Natürlich ist es nicht wichtig. Es gibt einen Haufen Leute, die dir das erzählt haben könnten. Hier im Ort weiß jeder, was der andere tut«, fügte er leicht angewidert hinzu. »Okay, also, ich fuhr Shelby in ihrem Wagen nach Hause. Danach ließ ich mich zu mir nach Hause bringen, wo mein Streifenwagen stand, und fuhr sofort wieder zu dir hinaus. Aber es war niemand daheim, und da habe ich mich natürlich gefragt, was wohl passiert ist, dass auf einmal eine ganze Gruppe von Leuten, die mir nahe stehen, wie vom Erdboden verschwunden ist. Irgendjemand hat mir dann erzählt, was mit deinem Hund passiert ist.«
»Und dann bist du gleich nachgekommen«, sagte sie und sah ihn nachdenklich an. Er sah so gut aus und so unheimlich sexy, und sie wollte ihn unbedingt...
»Ja.«
»Warum?« ... Sie würde vielleicht nicht alles bekommen, was sie wollte, nicht die glückliche Zukunft zu zweit...
»Was meinst du - warum? Was denkst du denn? Ich dachte, dass dein Hund wahrscheinlich tot war. Ich dachte mir, dass du ziemlich erschüttert sein musst. Ich dachte mir, dass es dich aufmuntern würde, wenn ich käme.« Er sah sie kurz an und fügte stirnrunzelnd hinzu: »Ich dachte mir, dass du mich vielleicht brauchen würdest.«
»Das stimmt auch, ja.« ... aber sie konnte wenigstens etwas von dem bekommen, was sie wollte. Sie konnte ihn haben, wenn sie bereit war, zu akzeptieren, dass es nichts Dauerhaftes war. »Danke übrigens, dass du gekommen bist.«
Etwas ist besser als gar nichts. Sie konnte ihre Großmutter fast hören, wie sie das Sprichwort sagte. Oder konnte es sein, dass das Verlangen nach dem Rest, den man nicht bekam, hinterher noch größer war?
»Matt?«
»Hmm?«
»Warum hast du eigentlich das Gefühl gehabt, dass du Shelby nach Hause bringen solltest?«
»Na ja, sie war ziemlich geknickt.«
»Wie geknickt?«
Er seufzte. »Sie hat geweint. Sie kann es nicht so leicht verkraften, dass sie und ich nicht mehr zusammen sind. Sie hat geweint, weil sie gedacht hat, dass es eine andere gäbe. Falls es dich interessiert - sie hat dich gemeint.«
Carly zuckte zusammen. Sie hätte nie gedacht, dass ihr die immer so furchtbar selbstbewusst auftretende Shelby einmal Leid tun könnte - doch in diesem Moment war es so. »Hast du ihr irgendetwas versprochen? Ich meine, bevor du Schluss gemacht hast?«
Matt sah sie verärgert an. »Nein. He, ich mache nie irgendwelche Versprechungen. Ich kann nichts dafür, wenn sie sich vielleicht etwas anderes eingebildet hat.«
Das Traurige aus Carlys Sicht war, dass er tatsächlich meinte, was er da sagte. Diese typisch männliche Beschränktheit, die aus seinen Worten sprach, machte sie ziemlich wütend. »Du hast mit ihr geschlafen, nicht wahr? Hör mal, du
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