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Vergangene Schatten

Titel: Vergangene Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Robards
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sagte Sandra und hob, wie um es zu beweisen, beide Hände, während Matt sein Handy aus der Tasche hervorholte, eine Taste drückte und das Gerät ans Ohr hielt.
    »Ja, Matt Converse.« Caijy sah an seinem Gesichtsausdruck, dass er sich zwang, geduldig zu sein. »Nein, Mrs. Naylor, das ist nicht nötig. Es ist alles in Ordnung. Ja, da hat sich jemand herumgetrieben, aber er ist weggelaufen. Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen. Wir wissen es zu schätzen, dass Sie immer die Augen offen halten. Das Licht ist deshalb an, weil Carly Linton hier einzieht. Sie erinnern sich doch an Carly, Mrs. Lintons Enkeltochter? Sie ist einfach nur ein bisschen später als geplant hier angekommen, das ist alles. Das Licht wird also noch eine Weile eingeschaltet bleiben, denke ich. Nein, es gibt keinen Grund zur Besorgnis. Sie können ruhig zu Bett gehen. Ja, ich sage es ihr. Geben Sie gut auf sich Acht. Auf Wiedersehen.«
    Er beendete das Gespräch und blickte zu Carly hinüber, als er das Handy in die Hosentasche steckte. »Mrs. Naylor hat das Licht gesehen und sich Sorgen gemacht. Sie hätte übrigens gern, dass du morgen zu Kaffee und Kuchen bei ihr vorbeikommst. Sie hat gemeint, ich soll dir sagen, dass sie deinen Lieblingskuchen gebacken hat.«
    Carly seufzte. »Hat sie immer noch nichts Besseres zu tun als den ganzen Tag aus dem Fenster zu gucken? Es ist doch mitten in der Nacht, um Himmels willen. Sie ist eine alte Frau und sollte längst im Bett sein.«
    Nachdem Mrs. Naylors Kinder seit langem erwachsen und ausgezogen waren, musste die Frau nach Carlys Schätzung schon steinalt sein.
    Ein amüsiertes Grinsen umspielte Matts Mundwinkel. »Ich muss dich warnen - sie verwendet modernste Technik; sie hat jetzt einen Feldstecher.«
    »O Gott.«
    Unausgesprochen hatten beide die gleichen Erinnerungen an die Zeiten, als Mrs. Naylor so oft bei Carlys Großmutter angerufen hatte, um ihr von irgendeinem Streich zu berichten, den sie von ihrem Fenster aus beobachtet hatte. Einmal hatte Carly auf dem Dach der Veranda gelauert, um Matt einen Eimer Farbe über den Kopf zu schütten - als Rache dafür, das er sie gehänselt hatte. Ein andermal war er zum Fenster ihres Zimmers hochgeklettert, um ihr eine Papiertüte mit einem Schinkensandwich und einer Coke zu bringen, als sie wieder einmal ohne Abendessen zu Bett geschickt worden war. Als sie einmal den Bus versäumt hatte und Gefahr lief, zu spät in die Schule zu kommen, hatte er sie mit seinem Motorrad mitgenommen, obwohl es ihr streng verboten war, sich auch nur auf das Fahrzeug zu setzen. Nicht zu spät zu kommen war deshalb so wichtig für sie gewesen, weil es ihrem Notendurchschnitt geschadet und ihr damit die Chance genommen hätte, die Schul-Abschiedsrede zu halten, was ihr letzten Endes auch so versagt blieb.
    Mrs. Naylors Adlerauge war nichts entgangen, und sie hatte zu Carlys Leidwesen auch nicht gezögert, ihre Beobachtungen mitzuteilen. Carlys letzte Jugendsünde hatte zur Folge gehabt, dass sie drei Wochen Ausgehverbot bekam.
    Einen knappen Monat später hatte Matt sie in der Scheune gefunden, wie sie sich - ein Häufchen Elend - die Augen ausweinte, weil niemand sie gefragt hatte, ob sie ihn auf den Highschool-Abschlussball begleiten würde. Er entlockte ihr das bittere Geheimnis, trocknete ihre Tränen und bot ihr beiläufig an, sie zu begleiten.
    Es musste schon ein kluger Mensch gewesen sein, der den Satz geprägt hat: Wenn etwas zu schön klingt, um wahr zu sein, dann ist es für gewöhnlich auch nicht wahr. Selbst Aschenputtel konnte nicht so aufgeregt gewesen sein wie sie angesichts der Tatsache, dass Matt sie auf den Ball begleiten würde. Die folgenden Wochen - bis ungefähr ein paar Tage nach dem Ball, als ihr zu dämmern begann, dass ihre wunderschönen Tagträume vielleicht doch nur Seifenblasen sein könnten - waren die glücklichste und aufregendste Zeit ihres Lebens gewesen.
    Damals hatte sie natürlich noch nicht begriffen, dass Matt ein durch und durch niederträchtiger Schuft war. Bei der Erinnerung daran straffte sich ihr Rückgrat, als wäre es eine Eisenstange.
    »Dieser Schreibtisch hat nicht deiner Großmutter gehört«, stellte Matt fest und zog ihren Blick damit auf sich.
    »Nein«, sagte sie kalt und abrupt.
    Er sah sie an. Ihre Blicke trafen sich, und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    Das Licht ging aus. Von einem Moment auf den anderen herrschte wieder völlige Dunkelheit.
    Carly stieß einen erschrockenen Laut hervor. Sandra

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