Vergangene Schatten
da irgendwelche Probleme in der Luft lagen, aber damit hatte sie zum Glück nichts zu ti^n.
»Halt den Mund, Dani«, sagte Erin und sah ihre Schwester finster an.
Die Blondine musterte Carly inzwischen eingehend. »Wir kennen uns doch, nicht wahr?«, sagte sie plötzlich. Carly stellte fest, dass sie Recht hatte. Jetzt, da sie sie genauer ansah, wurde ihr bewusst, dass sie die Frau ebenfalls kannte.
»Du bist Carly Linton«, sagte die Frau.
»Und du bist Shelby Holcomb«, erwiderte Carly.
Shelby war in der Schule zwei Klassen über ihr gewesen. Sie war einmal sogar zum beliebtesten Mädchen der Schule gewählt worden. Shelby war stets perfekt frisiert und gekleidet und hatte strahlend weiße Zähne. Außerdem war sie, wie Carly noch genau wusste, damals ziemlich scharf auf Matt gewesen. Dass sie ihn sich nicht hatte angeln können, lag wohl in erster Linie an Elise Knox.
Carly hätte sich nie träumen lassen, dass sie Elise Knox eines Tages dankbar sein würde - doch in diesem Augenblick war sie es. Matts Affäre mit Elise hatte wenigstens dazu geführt, dass Shelby ihn nicht bekommen hatte. Doch jetzt, da Elise von der Bildfläche verschwunden war, hatte Shelby ihr Ziel offenbar doch noch erreicht. Immerhin saß sie hier am Sonntag Morgen in Matts Haus und frühstückte mit seinen Schwestern. Gestern Nacht hatte Lissa gesagt, dass Matt niemals Mädchen mit nach Hause brächte und dass Shelby sterben würde, wenn sie erfuhr, dass Carly hier übernachtet hätte. Carly hatte nicht gewusst, dass sie von dieser Shelby gesprochen hatte, der unumschränkten Königin aus der Highschool-Zeit.
Wenn Carly, wie Matt letzte Nacht gemeint hatte, seine einzige echte Freundin war, so war Shelby offenbar eines der Mädchen - oder das Mädchen - zum Bumsen.
Die Erkenntnis kam ihr mit der Wucht eines Feuerwerks, das den Nachthimmel erhellte. Carlys erste Reaktion war: Ich bringe ihn um.
Es erzürnte sie über die Maßen, sich vorzustellen, dass Matt sie mit Shelby betrogen hatte. Nein, sagte sie sich im nächsten Augenblick, es war ja eigentlich anders herum. Angewidert sah Carly der abstoßenden Wahrheit ins Auge: Wenn Matt jetzt tatsächlich zu Shelby gehörte, dann hatte er Shelby vergangene Nacht mit ihr betrogen.
Ich bringe ihn um, sagte sich Carly noch einmal. Ich bringe den Kerl um.
Dass sie ohnehin schon mit dem Gedanken gespielt hatte, genau das zu tun, tat nichts zur Sache. Jetzt, da das wahre Ausmaß seiner Niedertracht zutage trat, erreichte ihr Drang, ihn umzubringen, ein nie gekanntes Ausmaß.
»Für wie lange bist du denn in der Stadt?«, fragte Shelby stirnrunzelnd.
»Für immer, hoffe ich«, antwortete Carly mit einem, wie sie hoffte, höflichen Lächeln.
»Wir machen eine Frühstückspension auf«, warf Sandra ein. Die Tatsache, dass Sandra es sich offensichtlich anders überlegt hatte und nicht mehr nach Chicago zurückwollte, hätte Carly eigentlich freuen sollen, doch dem war nicht so. In ihrer momentanen Stimmungslage hätte sie gar nichts aufheitern können - es sei denn, Matt wäre vor ihren Augen elendiglich zugrunde gegangen.
»Was das Frühstück betrifft, da können Sie auf mich zählen«, sagte Antonio, worauf Sandra ihm ein strahlendes Lächeln schenkte.
»Oje, ich fürchte, wir haben dich noch gar nicht mit allen hier bekannt gemacht«, sagte Lissa zu Carly. Matts Schwester schien sich über irgendetwas diebisch zu freuen, doch Carly hatte den Verdacht, dass sie lieber nicht wissen wollte, worum es ging.
»Nachdem du Shelby ja schon kennst und uns auch, brauche ich dir nur noch Matts Stellvertreter vorzustellen, Antonio Johnson und Mike Toler. Shelbys Bruder Collin, der Erins Verlobter ist, kennst du ja vielleicht schon, wenn du Shelby kennst.«
»Ich bin Antonio gestern Abend begegnet«, sagte Carly, ohne zu erwähnen, dass Antonio sie zu Tode erschreckt hatte. Antonio nickte ihr zu. Mit seinem zufriedenen Gesichtsausdruck und seinem prallen Bauch sah er heute nicht gefährlicher aus als der Weihnachtsmann. Carly lächelte Mike Toler zu, der seinerseits »freut mich« murmelte. Dann sagte sie, zu Collin gewandt: »Ich glaube, ich erinnere mich an dich.«
»Wirklich?«, sagte Collin. »Immerhin bin ich sieben Jahre jünger als Shelby, also ...«
»Wenn wir rechtzeitig in der Kirche sein wollen, sollten wir jetzt wirklich gehen«, trällerte Shelby und warf ihrem Bruder einen tadelnden Blick zu. Sie war anscheinend gar nicht erfreut, dass es jemand wagte, sie an ihr Alter zu erinnern.
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