Vergangene Schatten
auf der Leiter erblickte. Sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte zu ihnen herauf.
Da ist ja wirklich die ganze Mannschaft versammelt, dachte Carly peinlich berührt.
Es war unschwer zu erkennen, dass sich ihre Zuschauer fragten, was wohl zwischen ihr und Matt vorging. Es wäre kaum peinlicher gewesen, wenn sie nackt diese Leiter hinuntergestiegen wäre.
»Na, hast du das Dach repariert?«, fragte Sandra zuckersüß, als Carly von der Leiter auf das Gras trat.
»Das meiste, ja«, antwortete Carly und wischte sich die schwitzenden Hände an der Hose ab. Sie war stolz, wie gefasst sie klang, und bückte sich hinunter, um Annie zu streicheln. Genauso stolz war sie, dass es ihr gelang, Matt nicht anzusehen, der inzwischen ebenfalls unten war. Dennoch spürte sie seine Anwesenheit so stark, dass sie ihn fast atmen hörte. Und der Gedanke an das, was sie soeben oben auf dem Dach miteinander getan hatten, trieb ihr die Röte ins Gesicht.
»Wen haben wir denn da?«, fragte Matt und stellte die Dose mit der Dichtungsmasse auf den Boden. Er blickte kurz in die versammelte Runde und wandte sich dann Annie zu, die argwöhnisch an seinen Füßen schnupperte. Im Gegensatz zu Carly wirkte Matt völlig entspannt und gelöst.
Ihre Blicke trafen sich. Carly konnte einfach nicht anders, als ihn anzusehen. Sie lächelte ihm zu, und ihr Herz machte einen Sprung, als er zurücklächelte. Ein leises Räuspern erinnerte sie daran, dass sie nicht allein waren, und sie konzentrierte sich etwas verlegen auf seine Frage.
»Das ist Annie«, sagte sie schließlich. »Du erinnerst dich doch an den Hund, der in unserer ersten Nacht hier Hugo gejagt hat? Wir haben ihn sozusagen adoptiert.«
Sandra stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Du hast ihn adoptiert, nicht ich«, sagte sie.
Carly ignorierte ihre Bemerkung, sah aber wohl, dass Sandra interessiert zwischen ihr und Matt hin und her blickte.
»Annie ist ein Schatz«, sagte Carly zu Matt.
»Das glaube ich gern«, sagte er mit einem Hauch von Ironie, streckte aber dennoch die Hand aus, damit Annie daran schnuppern konnte. Dann kraulte er sie kurz hinter den Ohren, ehe er sich wieder aufrichtete und sich Antonio und Mike zuwandte.
»Was gibt's?«, fragte er die beiden.
Matts Stellvertreter trugen ihre Uniform und waren, wie Carly vermutete, im Dienst.
Bis zu diesem Augenblick hatten die beiden Männer sie und Matt genauso wie Sandra verstohlen angeblickt und dabei amüsiert gegrinst. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich rasch, als ihr Chef sie ansprach. Mike trat von einem Bein auf das andere und blickte zur Seite. Antonio verschränkte die Arme vor der Brust und räusperte sich.
»Wir haben vor ungefähr zehn Minuten einen Funkspruch bekommen«, sagte Antonio. »Es hat geheißen, ein Anrufer hätte versucht, dich am Handy zu erreichen, aber es war abgeschaltet. Wie es aussieht, geht Mrs. Hayden wieder mal mit ihrem Hund spazieren.«
Carly vermutete, dass es damit irgendetwas Besonderes auf sich haben musste, denn Matt machte ein verärgertes Gesicht, während Antonio und Mike nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken konnten.
»Mein Handy ist aus einem ganz bestimmten Grund abgeschaltet«, sagte Matt, zog den Hammer und den Nagel aus seiner Hosentasche hervor und reichte beides Carly. »Der Grund ist der, dass ich nicht im Dienst bin. Es muss sich jemand anders um Mrs. Hayden kümmern.«
»Ich sage ihnen, dass sie Knight hinschicken sollen. Es schadet ihm nicht, wenn er ein wenig Erfahrung sammelt«, sagte Antonio.
»Gute Idee«, sagte Matt und grinste plötzlich; offensichtlich dachte er gerade an etwas sehr Amüsantes. »Sonst noch was?«
Carly verfolgte mit einem gewissen Stolz, wie Matt als Sheriff agierte. Der Junge, dem wohl viele in der Stadt eine Karriere als Verbrecher vorhergesagt haben mochten, hatte sich wirklich prächtig entwickelt.
»Thompson hat sich bei einem Sturz das Bein gebrochen, und Brooks fällt mit einer Mageninfektion aus«, berichtete Antonio.
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte Matt bestürzt. »Wir sind sowieso schon viel zu knapp besetzt. Wann hätten die beiden ihre nächste Schicht?«
»Beide heute Nacht um elf.«
»O Gott«, sagte Matt. »Wer springt ein?«
»Es hat schon jeder von uns eine Doppelschicht hinter sich. Wenn wir nicht bald ein paar neue Leute bekommen, werden wir noch zu Zombies.«
»Das wird uns aber nicht bewilligt«, erwiderte Matt mit säuerlicher Miene. »Na gut, verdammt noch mal. Ich springe für Thompson ein, du
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