Vergangene Schatten
Matt hatte sie zu einem Ausflug eingeladen.
Ihr Leben würde doch nicht plötzlich anfangen, sich von seiner Sonnenseite zu zeigen?
»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte Matt trocken und streckte ihr die Hand entgegen.
Carly blickte zu ihm auf. Nein, sie durfte Matt nicht zeigen, wie überwältigt sie von seinen Küssen war - auch wenn er es wahrscheinlich sowieso mitbekam.
»Ja, natürlich habe ich gehört, was du gesagt hast. So großartig küsst du auch wieder nicht, Matt Converse.«
Sie legte ihre Hand in die seine und ließ sich von ihm aufhelfen.
»Nachher werde ich dafür sorgen, dass du das zurücknimmst«, sagte er und hob ihre Hand an seinen Mund.
Carly sah zu, wie er seine Lippen auf ihre Finger drückte, was ihren Herzschlag erneut zum Rasen brachte. Seine Lippen fühlten sich warm auf ihrer Haut an, und seine Augen funkelten, als sich ihre Blicke kurz trafen. Seine Geste war entwaffnend romantisch - ganz und gar nicht so, wie sie Matt bisher gekannt hatte, und dabei hatte sie sich eingebildet, ihn so gut zu kennen. Das hier ... das war Matt, der Liebhaber - und in dieser Eigenschaft war er ganz anders als der Junge, den sie gekannt hatte. Sie bekam weiche Knie, als ihr bewusst wurde, was für eine grundlegende Veränderung in ihrer Beziehung sich durch diese kleine Geste ausdrückte, dass er ihre Hand küsste.
Egal ob Junge oder erwachsener Mann - er war immer noch Matt, und sie wollte ihn immer noch so sehr, dass es wehtat.
»Komm mit«, sagte er und ging Hand in Hand mit ihr los.
»Warte«, sagte sie, »ich muss noch meine Sachen holen.« Ihre benebelten Sinne schärften sich wieder, und sie löste ihre Hand aus der seinen. Sie konnte ihr Werkzeug nicht einfach so hier oben liegen lassen. Auf dem Dach lag der Hammer und ein einzelner Nagel, und etwas weiter entfernt stand die Dose mit der Dichtungsmasse. Der Pinsel lag nicht weit von Matts Füßen entfernt. Sie bückte sich und hob ihn auf.
Er nahm ihr den Pinsel aus der Hand und steckte ihn in die Dose mit der Dichtungsmasse, die er sich an einen Arm hängte. Dann steckte er den Hammer und den Nagel in seine Hosentasche, nahm sie an der Hand und führte sie zur Leiter hinüber.
Er hielt die Leiter am oberen Ende fest und ließ ihr den Vortritt. Während Carly hinunterkletterte, konnte sie nicht umhin, seine langen kräftigen Beine und den knackigen Hintern zu bewundern, als er nach ihr auf die Leiter stieg. Er war Matt, er war einfach umwerfend, und er würde bald ihr gehören. Bei dem Gedanken wäre sie beinahe statt auf die Sprosse ins Leere getreten.
Ihr winkte der wunderbarste Abend ihres Lebens, und sie hätte ihn gar nicht gut begonnen, wenn sie neun Meter in die Tiefe gestürzt wäre, dachte Carly und konzentrierte sich auf ihre Hände und Füße, während sie weiter hinabstieg.
Sie waren schon fast unten, als Carly bemerkte, dass sie beobachtet wurden - und zwar von mehr als einem Augenpaar. Hugo lag fast in gleicher Höhe wie sie auf dem niedrigsten Ast des Nussbaums und verfolgte mit zufriedener Miene ihren Abstieg. Es sagte einiges über die Wirkung aus, die Matt auf sie ausübte, dass sie bis zu diesem Augenblick ihr geliebtes Kätzchen ganz vergessen hatte. Hugo hatte sich anscheinend schon viel besser hier eingelebt, als sie gedacht hatte, wenn er es schaffte, über den Nussbaum auf das Dach und wieder hinunter zu kommen.
Benton hatte bei ihr und auch bei ihrer Katze schon einige Veränderungen bewirkt, dachte Carly und blickte wieder zu Matt hinauf. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie, seit sie hierher gekommen war, noch kein einziges Mal an John oder ihre Scheidung gedacht hatte. Ihr Leben als Mrs. John Grunwald -obwohl sie auf diesen Namen gar keinen Wert gelegt hatte, sondern ihren eigenen vorzog - schien weit entfernt zu sein, als hätte es gar nichts mit ihr zu tun. Das hier war ihr wirkliches Leben. Sie blickte auf, und ihr Herz machte einen Sprung. Matt war ihr wirkliches Leben.
Bei dem Gedanken hätte sie fast noch einmal eine Sprosse verfehlt.
Als sie sich wieder gefangen hatte, fiel ihr Blick auf Annie, die unten an der Leiter schwanzwedelnd auf sie wartete. Hinter Annie hatten sich Antonio, Mike und Sandra versammelt, die ziemlich überrascht und interessiert zu ihnen hinaufblickten. Aus dem Augenwinkel nahm Carly wahr, wie Erin aus ihrem Wagen ausstieg, den sie soeben vor dem Haus abgestellt hatte. Selbst aus dieser Entfernung konnte Carly genau erkennen, in welchem Moment Erin ihren Bruder
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