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Vergeben, nicht vergessen

Titel: Vergeben, nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Vielleicht waren sie sogar Schuld, vielleicht hatten sie es zugelassen? Was für Menschen waren sie? Es war bedeutungslos, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Eigentlich aber war es überhaupt nicht bedeutungslos. Er fühlte sich gut. Sie hatte zum ersten Mal seine Nähe gesucht. Er hatte zwar erst einschlafen müssen, damit sie sich traute, aber es war ein Anfang, eindeutig ein Anfang.
    Er lächelte, stand auf und öffnete eine Dose Hühnersuppe mit Nudeln. Sie mochte die Suppe mit getoastetem Käsebrot.
    Nachdem sie am Abend die letzten beiden Hot Dogs geröstet, die restlichen Baked Beans gegessen hatten und es ihm gelungen war, eine Götterspeise ohne Klumpen herzustellen, sagte er: »Ich nenne dir jetzt mal ein paar Mädchennamen. Wenn ich auf deinen Namen stoße, dann nickst du dreimal oder aber zupfst an meinem Ärmel oder stößt mir gegen das Schienbein. Abgemacht?«
    Sie verharrte regungslos. Ihr Gesichtsausdruck zeigte keinerlei Veränderung. Ihre mangelnde Begeisterung ließ nichts Gutes erahnen.
    »Also gut, lass es uns versuchen. Wie wäre es mit Jennifer? Das ist ein wirklich schöner Name. Heißt du so?«
    Sie machte keine Bewegung.
    »Wie ist es mit Lindsey?«
    Nichts.
    »Morgan?«
    Sie drehte ihm den Rücken zu und demonstrierte so ihre Gefühle in aller Deutlichkeit. Sie wollte das Namenspiel nicht spielen. Aber warum nicht?
    »Zeichne mir ein Bild von deiner Mama.«
    Augenblicklich drehte sie sich wieder um. Ihre Finger wischten über das weiße Blatt Papier. Sie sah ihn nicht an, starrte nur das Papier an. Dann begann sie zu zeichnen. Es war ein Strichmännchen mit einem Rock, Turnschuhen und jeder Menge Locken. Die Frau hielt so etwas wie einen Kasten mit einem Knopf darauf.
    Dann sagte er: »Das ist sehr schön. Ist ihr Haar so braun wie deines?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Rot?«
    Sie lachte breit und nickte. Dann malte sie noch mehr Locken um den Kopf der Strichfigur.
    »Ich habe Rot geraten, weil es meine Lieblingsfarbe ist. Hat sie richtig lockiges Haar? Ist es lang?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ah, es ist schulterlang. Hält sie einen Karton in der Hand?«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie deutete auf ein Titelmädchen einer Zeitschrift auf dem Couchtisch. Dann presste sie Zeigefinger und Daumen aufeinander.
    »Ach so«, erwiderte er. »Das ist ein Fotoapparat. Sie ist Fotografin?«
    Sie nickte und deutete wieder auf die Bilder.
    »Und sie fotografiert Menschen?«
    Sie nickte zufrieden. Plötzlich wurde ihr Gesicht ernst. Sie dachte an ihre Mutter, vermisste sie, fragte sich, wo sie war. Dagegen konnte er nichts tun. Er sagte: »Und nun male mir ein Bild von deinem Vater.«
    Sie umklammerte den Bleistift, wie man einen Dolch umklammern würde. Dann drang wieder dieses schreckliche Wimmern aus ihrer Kehle.
    »Ist schon gut, Kleines. Ich bin ja da. Du bist in Sicherheit.«
    Zu seiner Überraschung malte sie ein Strichmännchen, das Gitarre spielte und dessen Mund geöffnet war. War ihr Vater Sänger? Sie presste den Stift so kräftig auf das Papier, dass die Spitze abbrach. Konnte es ihr Vater gewesen sein, der sie missbraucht hatte? Kein Vater würde das seinem eigenen Kind antun. Unsinn! Bei allem, was er über das Leben erfahren hatte, was er gesehen und verhandeln musste, wusste er sehr wohl von dieser Möglichkeit. Er wollte sie über ihren Vater ausfragen, aber nachdem sie so reagiert hatte, würde er damit noch warten.
    Sie knüllte das Papier zusammen. Langsam zog sie sich von ihm zurück und rollte sich am anderen Ende des Sofas zu einer Kugel zusammen.
    Es würde viel Zeit brauchen, soviel war ihm klar. Zeit. Doch wie lange sollte er sich Zeit lassen?
    »Ich lasse dich nicht hier allein im Jeep. Es ist nicht sicher. Du wirst mit mir mitkommen. Hier, nimm meine Hand. Kannst du das?« Er wartete kurz und strich ihr mit den Fingerspitzen leicht über die Wange. »Ist schon gut, Kleines. Ich weiß, dass dich das hier alles beunruhigt, aber es wird schon werden. Niemand wird dir wehtun. Jetzt hast du mich, und ich bin groß und stark. Ich kann Karate. Ich bin sogar richtig gut. So ähnlich wie Chuck Norris. Hast du schon mal von ihm gehört? Er kann mehr Bösewichte umlegen als Godzilla.«
    Sie machte ein paar schneidende Geräusche mit ihren Händen.
    »Genau so meine ich es. Ich weiß, dass du diese Kleidung nicht anziehen willst, aber es wird nicht für lange sein, nur so lange, bis wir dir neue Sachen gekauft haben. Dann kannst du dich gleich umziehen, und wir schmeißen diese

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