Vergeben, nicht vergessen
Hunt, öffnen Sie schnell das Tor. Ein Reporter ist uns auf den Fersen.«
»Diese stinkenden kleinen Maden«, knurrte der Mann und öffnete das Tor gerade noch rechtzeitig, bevor der Reporter den Wagen erreichen konnte.
»Warten Sie!«, brüllte der Reporter, doch Ramsey fuhr mit aufheulendem Motor durch das offene Tor. Der Reporter folgte ihm auf dem Fuß, sah jedoch das Wahnsinnsgrinsen des Sicherheitspostens in dem erleuchteten Häuschen, als sich das Tor wieder zu schließen begann.
Er trat fluchend zurück. »Hallo, haben Sie noch nichts vom ersten Artikel des Grundgesetzes, der Presse- und Meinungsfreiheit, gehört, Sie Esel!«
Der Sicherheitsposten, der immer noch wie ein irre gewordener Wissenschaftler grinste, erwiderte über Lautsprecher: »Klar, Sie elender kleiner Knirps, und Prinz Charles ist ein Tampax.«
Das hatte Ramsey noch gehört. Es ergab nicht den geringsten Sinn und erschien ihm plötzlich als unglaublich komisch. Er musste lachen und steckte Molly an. Händchen haltend gingen sie ins Haus und wollten sich kaputtlachen.
»O je«, meinte Miles.
Sowohl Miles als auch Gunther verfügten über Alibis. Warren O’Dell besaß ebenfalls ein Alibi, das Gleiche galt für Eve Lord. Zu allem Überfluss war ihre Mutter zu Besuch gekommen. Zum Zeitpunkt des Attentats auf Mason Lord hatten sie zusammen am Swimmingpool gesessen und Eistee getrunken.
Die Medien waren vollkommen außer Rand und Band geraten. Da Eve jung und schön und unglaublich reich war, war ihr eine enorme Sympathie und Unterstützung zuteil geworden, die von den Medien noch weiter aufgebauscht wurde. Die Medien traten das Thema Schönheit und Geld immer breit, besonders dann, wenn es sich möglicherweise um eine tragische Schönheit handelte.
Mollys Mutter hatte ihre Anteilnahme geäußert, wollte aber nicht in die Staaten fliegen. »Warum sollte ich, meine Liebe? Ich hege nicht den geringsten Wunsch, ihm die schwache Hand zu halten oder den im Gebüsch mir auflauernden Paparazzi zu entgehen. Halte mich auf dem Laufenden, Molly.«
Nicht weiter überraschend, dachte Molly, wenn man bedachte, dass die neue Frau Lord jung genug war, um als ihre Tochter zu gelten, und ihr ehemaliger Mann in ihrem Leben schon seit vielen Jahren keine Rolle mehr spielte.
Mason Lord, der zwischen Leben und Tod pendelnd bewusstlos im Krankenhaus lag, war fast vollkommen vergessen. Die Aufmerksamkeit galt seiner bildschönen jungen Frau, die sich jeden Augenblick in eine Witwe verwandeln konnte. Andererseits musste man der Fairness halber zugeben, dass wohl kaum ein Reporter seinen Kopf dadurch riskieren würde, dass er das Umfeld Mason Lords hinterfragte.
Er überlebte die Nacht. Kurzfristig hatten sie ihn verloren geglaubt, aber dann war es ihnen gelungen, seinen Blutdruck intravenös zu stabilisieren. Sein Zustand schien stabil. Molly und Ramsey hatten ihn am nächsten Morgen nicht besucht, sondern waren mit Emma zu Hause geblieben und hatten Eve Lord beobachtet, wie sie sich auf dem Weg zu ihrem Mann durch die Pressemeute drängte. Später wurde das in grellen Farben in einer Sondersendung auf allen drei Lokalsendern ausgestrahlt.
»Ich hätte zu gern einen Schimmer von dem, was in ihr vorgeht«, meinte Molly.
»Das wünscht sich Detektiv O’Connor auch«, erwiderte Ramsey. Er drehte sich zu Emma um, die langsam ins Wohnzimmer kam. »Hallo, Em«, sagte Molly. »Komm herein und verrate uns, was Miles zu Mittag kocht.«
Emma stand einfach nur da, presste ihr Klavier an sich und machte einen verwirrten Eindruck. »Mama, wann können wir nach Hause gehen?«
Zuhause, dachte Molly. Welches Zuhause?
»Wo möchtest du denn hingehen?«, erkundigte sich Ramsey. Er schlug auf sein Knie, und Emma kam augenblicklich auf ihn zu. Vorsichtig setzte sie das Klavier auf dem Fußboden neben dem Sofa ab und ließ sich von ihm auf die Knie heben.
»Wohin?«, wiederholte er.
»Nach Hause«, meinte Emma. »Nach San Francisco.«
»Verstehe«, meinte Ramsey. »Du siehst die Sache ganz richtig. Was würdest du sagen, Em, wenn deine Mama und ich heiraten?«
Sie drehte sich um und sah ihn an. Langsam hob sie die Hand, um ihm damit über die Wange zu streicheln. Dann meinte sie mit der erschreckenden Unverblümtheit eines Kindes: »Mein Papa ist gerade gestorben, Ramsey. Er war zwar nicht viel bei uns zu Hause, aber er war mein Papa.«
»Ja, das war er. Und er wird auch immer dein Papa bleiben.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Emma. Sie lehnte sich gegen seine
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