Vergeben, nicht vergessen
»Ja, ich weiß. Dies ist ihre Art zu entfliehen«, erwiderte Ramsey mit noch tieferer Stimme als zuvor. »Sobald wir Gelegenheit haben, sollten wir Dr. Loo anrufen.«
»Er ist nicht tot, Ramsey.«
Ramsey schwieg und streichelte zärtlich Emmas Rücken. Er lehnte sich gegen die Kopfstütze zurück und schloss die Augen. Sie hatten gerade den Jetlag ihrer Reise nach Irland überwunden, als die Nachricht sie erreicht hatte. Jetzt würde alles wieder von vorne beginnen.
Er wollte heiraten.
Er wollte, dass Emma sicher war, dass er immer bei ihr sein würde, immer, und dass sie ganz zu ihm gehörte. Die Frau, die bald seine Ehefrau sein würde, saß einen halben Meter weit entfernt. Er war ratlos, was er ihr sagen sollte. Er fragte sich, wie in aller Welt es jetzt weitergehen sollte.
»Ramsey?«
»Ja, Molly?«
»Wir werden abwarten müssen, bis sich die Dinge geklärt haben.«
Er blickte zu ihr hinüber und sagte: »Verdammt noch mal, einverstanden.«
29
Detektiv O’Connor erwartete sie im Haus von Mason Lord. Außer Miles war niemand anwesend. Gleich beim Eintreten hatte Miles sie informiert, dass Gunther und Frau Lord im Krankenhaus seien. »Kommen Sie herein, Herr Lord schlägt sich ganz gut. Noch ist er nicht außer Gefahr, aber sein Zustand ist konstant. Es tut mir sehr Leid, Molly.«
»Danke, Miles. Die Sache trifft uns alle gleichermaßen. Danke, dass Sie hier die Stellung halten.«
»Guten Tag, Richter Hunt, Frau Santera.« Detektiv
O’Connor trat aus dem Wohnzimmer und kam auf sie zu. »Es tut mir Leid, dass Sie wegen einer solch bedauerlichen Wendung haben zurückkehren müssen. Es kam ganz und gar unerwartet. Noch kann sich niemand einen Reim darauf machen. Sie haben hoffentlich nichts dagegen, Frau Santera, dass ich hier auf Sie gewartet habe?«
»Nein, überhaupt nicht.« Molly kniete sich vor Emma auf den Boden. »Möchtest du mit Miles in die Küche gehen und etwas Leckeres essen?«
»Ich habe Schokoladenkekse ganz allein für dich gebacken, Emma«, meinte Miles. »Sie sind noch warm, gerade aus dem Ofen.«
Emma warf ihrer Mutter einen langen, geduldigen Blick zu. Es lag eine solche Müdigkeit in ihren Augen, dass Molly sie am liebsten in den Arm genommen und in Tränen ausgebrochen wäre. »Dein Großvater ist im Krankenhaus, Emma. Er ist verletzt worden. Das haben wir dir bereits erzählt. Und jetzt möchte sich Detektiv O’Connor mit Ramsey und mir unterhalten. Er möchte gerne wissen, wie wir die Vorfälle einschätzen.«
»Also gut, Mama, dann gehe ich mit Miles mit.«
»Danke, Em. Ich schaue bald nach dir, denn ich möchte auch einen von den Schokoladenkeksen essen.«
Sie erntete einen weiteren Leidensblick. Molly stand erst wieder auf, als Miles Emmas Hand genommen hatte und die beiden in Richtung Küche gingen. Emma hielt ihr Klavier eng gegen die Brust gedrückt. Molly richtete sich seufzend auf. »Kommen Sie mit ins Wohnzimmer, Detektiv O’Connor.«
»Die Untersuchungen haben belegt, dass es sich bei dem Projektil um eine 7.62-Millimeterkugel für Heckenschützen gehandelt hat.« Detektiv O’Connor wandte sich Ramsey zu. »Sie wissen vermutlich, dass diese Kugel schwerer ist und daher mehr Durchschlagkraft und eine flachere Flugkurve besitzt. Für Schüsse ab einer gewissen Entfernung ist das besonders wichtig.«
»Irgendwelche Hinweise auf den Schützen?«
»Wir sind auf das Dach des Ames-Gebäude gestiegen, das sich über dem vierten Stockwerk befindet. Dort fanden wir eine Reihe von Zigarettenstummeln, eine Wegwerfkaffeetasse und, Wunder aller Wunder, einen kleinen feuchten Fleck.«
Molly blinzelte den Detektiv an. »Einen feuchten Fleck? Was ist daran ein Wunder?«
»Er hat ausgespuckt, Frau Santera. Der Schütze hat gespuckt. Das bedeutet, dass wir mit etwas Glück die DNA ermitteln können. Bei seiner Festnahme hätten wir einen unwiderlegbaren Beweis seiner Schuld. Die Leute vom forensischen Dienst halten ihn für einen Raucher mit einem schlimmen Reizhusten. Seine schlechten Angewohnheiten könnten ihm zum Verhängnis werden.
Da Mason Lord ein sehr einflussreicher Mann ist, und das trotz seinem etwas fragwürdigen Umgang und Geschäftsgebaren, wird dieser Fall sehr ernst genommen. Die Presse hat mittlerweile begriffen, dass sie hier nicht viel zu sehen bekommen. Aber im Morgengrauen werden sie wieder da sein, darauf können Sie sich verlassen. Ich bin froh, dass Sie so zeitig wieder zurückgekehrt sind. Sie werden ohnehin früh genug herausfinden, dass Sie
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