Vergeben, nicht vergessen
hereinwaberte.
Emma lief im Pullover durch ihren neuen Garten und schaute sich die Blumen an, die hinter dem Schutzwall eines stabilen Zauns aus Redwoodholz gediehen. Ihr Klavier lag auf einem Stuhl in der Küche. Ein ziviler Polizeiwagen parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
»Ich werde ihr eine Schaukel kaufen«, meinte Ramsey, der hinter Molly getreten war und sie umarmte. Er beugte sich hinunter und küsste ihr Ohr. »Vielleicht könnte ich von dem Ast der Kiefer dort drüben einen Autoreifen hängen.«
Sie drehte sich in seinen Armen. »Ich will dich haben«, verkündete sie. Und genau das bekam sie auch, und zwar mitten in seinem Arbeitszimmer und vollständig angezogen, immer mit einem Blick auf Emma, die nicht weit entfernt war. Sie standen dicht beieinander und atmeten noch immer schwer, als sie Emma aus der Küche kommen hörten. »Mama, Ramsey hat ein Zimmer voller verschiedener Dosen.«
Molly rollte mit den Augen. »Dosen? Alles verschiedene Größen, nehme ich an? Du Perverser, du.«
»Mama, ich höre dich lachen. Hast du einen Witz gemacht?«
»O ja«, sagte Molly leise. »O ja.«
Nachdem sie Ramseys Lieblingsgericht, nämlich Sezhuanrind mit Knoblauchnudeln und Auberginen gegessen hatten, meinte Molly, als sie Emma die Gabel ablegen sah: »Es ist höchste Zeit, dass wir drei einmal darüber reden, Em. Wir haben es lange genug hinausgezögert. Du hast die Hosen gestrichen voll vor Angst.« Emma hob den Kopf. »Lass mich ganz offen mit dir sein. Ramsey macht sich Sorgen um dich. Er macht sich Sorgen, weil dieser schreckliche Mann immer noch dort draußen herumläuft. Wir hatten gehofft, dass er mittlerweile festgenommen sein würde, doch das ist nicht der Fall. Das wiederum heißt, Em, dass du sehr, sehr vorsichtig sein musst. Du musst wirklich dicht bei mir oder bei Ramsey bleiben. Wenn einer von uns vor dir läuft, nimmst du Ramseys oder meine Hand. Verstehst du? Erscheint dir das sinnvoll?«
Ramsey hätte es nie und nimmer derart unverblümt gesagt. Er hatte das Gefühl, über einem aktiven Vulkan zu schweben, und konnte kaum den starken schwarzen Kaffee schlucken, den er sich eben aufgebrüht hatte.
»Ja, das scheint mir sinnvoll zu sein, Mama. Dr. Loo hat mir gesagt, dieser Mann glaubt, dass ich ihn vor der Hölle retten könnte. Das sei zwar nicht wahr, aber es hätte sich in seinen Gedanken festgesetzt, und für ihn wäre es wahr.«
Sie redete. Es erstaunte ihn, wie vernünftig alles aus ihrem kleinen Mund klang.
»Vermutlich hat sie Recht«, stimmte Molly zu.
»Wenn er glaubt, ich kann ihn vor der Hölle retten, warum hat er mir dann so wehgetan?«
»Herr Savich hat Ramsey erzählt, die Ärzte vom Bundeskriminalamt sind der Ansicht, er habe dir wehgetan, weil er glaubt, dass du seine Schuld auf dich nehmen sollst. Indem er dir, seiner Erlöserin, Schmerz zufügte, glaubte er, sich selbst von seinen Sünden zu reinigen. Damit bereitete er sich darauf vor, sich in Gottes Hände zu geben.«
»Das verstehe ich nicht, Mama.«
»Das versteht kein Mensch«, pflichtete ihr Ramsey bei. »Er ist wirklich sehr krank, und weil er außer Kontrolle ist, ist er besonders gefährlich. Deshalb müssen wir ganz besonders vorsichtig sein.«
»Ich weiß, dass er noch dort draußen ist«, sagte Emma. »Er wartet nur.«
»So ist es«, stimmte ihr Molly zu. »Ich wünschte, ich könnte ihn jetzt gleich und sofort in die Finger bekommen, aber das kann ich nicht. Bis wir ihn jedoch geschnappt haben, wird die Sache für uns noch ziemlich schwierig werden. Das tut mir Leid, aber ich kann es nicht ändern. Du musst die ganze Zeit über Ausschau halten und dicht bei uns bleiben. Jetzt geh bitte zum vorderen Fenster und sieh dir das hellblaue Auto an, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt steht. Das sind Polizeibeamte, und sie werden alle ihre Augen nach dem Mann offen halten.«
»Ich sehe sie, Mama.«
Ramsey räusperte sich. Aber die vernünftigen Worte, die eben gerade aus Mollys Mund gekommen waren, blieben ihm in der Kehle stecken. Er wollte etwas Kluges und Beruhigendes sagen, aber was ihm über die Lippen kam, war: »Emma, könntest du wohl kurz mal hierher zu mir kommen? Ich muss dich ganz dicht bei mir spüren. Ich fühle mich nicht so gut.«
Emma rannte zum Tisch zurück. Ramsey hatte gerade noch Zeit, den Stuhl zurückzuschieben und sie auf seinen Schoß zu heben. Er zog sie zu sich heran. Emma streichelte seinen Arm. »Es wird alles gut, Ramsey. Wir werden es
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