Vergeben, nicht vergessen
schlüpfte so leise er konnte nach draußen, wo es still war und er seinen Atem sehen konnte. Er musste noch Holz für Kamin und Herd spalten. Er stand regungslos und sah sich in alle Richtungen nach etwas Ungewöhnlichem um. Nichts. Schließlich legte er sein Browning-Savage-Gewehr ganz dicht neben dem linken Fuß auf dem Boden ab. Wieder blickte er sich um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken.
Er hackte ein halbes Dutzend Holzscheite, bis sein Bein so zu pochen anfing, dass er abbrechen musste. Die Menge musste reichen. Er hatte versprochen, die Hütte in demselben Zustand zu hinterlassen, in dem er sie vorgefunden hatte, und das bedeutete auch einen reichlichen Vorrat an Brennholz. Er fluchte leise, als er die Holzscheite in den Armen stapelte, sein Gewehr an sich presste und alles zurück in die Hütte trug.
Das Licht im Morgengrauen war grau, der Waldrand verschwommen und nur undeutlich zu erkennen. Nichts bewegte sich, noch nicht einmal eines der zahlreichen Eichhörnchen sprang von Baum zu Baum. Er trat über die Schwelle, und die Kleine richtete sich ruckartig auf, wimmerte von tief aus ihrer Kehle, mit aschfahlem Gesicht.
Eilig legte er die Holzscheite und das Gewehr neben dem Kamin ab und trat neben sie. Er setzte sich auf das Sofa. Langsam, weil er gelernt hatte, keine schnellen Bewegungen zu machen, drückte er sie an sich und küsste sie auf den Kopf. »Ist schon gut, Kleines. Ich musste etwas Brennholz holen.« Von der bevorstehenden Abreise wollte er ihr noch nichts sagen. »Leg du dich wieder hin, ich werde das Feuer anmachen und richtig einheizen, einverstanden?«
Er legte sie wieder ab und zog die Decke bis unter ihr schmales Kinn hoch.
»Rühr sie nicht an, du Dreckskerl. Tritt sofort von ihr zurück!«
Das Kind und er erstarrten, als sie die Frauenstimme hörten. Er war der dümmste Mann der Welt. Er hatte die Tür nicht verriegelt. Er warf einen Blick auf seine Smith & Wesson auf dem Tisch neben dem Sofa.
Ein Schuss ertönte. Seine Pistole flog vom Tisch und schlitterte über den Holzboden, bis sie von einem der indianischen Teppiche abgebremst wurde.
»Versuche nur ja nichts, sonst sitzt die nächste Kugel in deinem Kopf. Das verspreche ich dir. Und jetzt weg von ihr.«
Er trat zurück und stand auf. Er wandte sich um und sah eine Frau in der geöffneten Tür stehen. Sie trug eine schwarze Daunenjacke, schwarze Jeans und Stiefel und eine schwar-ze Wollmütze auf dem Kopf. Ihr Gesicht war sehr blass, ihre Pupillen riesig und schwarz. Sie hielt eine Detonics .45 ACP in der Hand, eine gemeine kleine Pistole, die jedem im Umkreis von sechs Metern das Gehirn wegblasen konnte. Er befand sich in diesem Umkreis.
Sie wirkte verkrampft und bereit, ihn umzulegen, aber ihre Stimme war zurückhaltend und voller Hass. »Beweg dich, du Schwein. Ich sag es nicht noch einmal. Ich will dich nicht in ihrer Nähe sehen. Wenn ich dich abknallen muss, werde ich das tun. Verdammter Kerl, weg von ihr!«
»Sie wollen mich nicht umbringen. Ich bin nicht derjenige, der sie entführt hat, das schwöre ich Ihnen.«
»Du perverses Stück Dreck, halt das Maul. Ich habe gesehen, wie du sie berührt hast. Was hättest du wohl gemacht, wenn ich nicht aufgetaucht wäre? Los, beweg dich!« Er trat zwei Schritte vom Sofa zurück. Sie hatte die Pistole auf seine Brust gerichtet.
Ihr Blick raste zum Sofa. »Liebling, ist alles in Ordnung?«
Es war ihre Mutter! Wie aber hatte sie sie ausfindig gemacht?
»Sie sollten mir wirklich Glauben schenken. Ich bin nicht derjenige, der sich an ihr vergangen hat«, sagte er.
»Halt das Maul! Em, alles in Ordnung?«
»Ich habe sie vor einer Woche in der Nähe dieser Hütte im Wald gefunden. Ich habe sie nicht entführt.«
»Maul halten! Em? Was ist denn los, Liebling? Hör auf mich, er kann dir nicht mehr wehtun. Komm her, Em, komm zu Mama.«
Em wimmerte aus tiefer Kehle, warf die Decken zurück und blickte von ihm zu ihrer Mutter.
»Geh von ihm weg, Em. Ich will, dass du zu mir hier herüber kommst. Ich werde ihn fesseln und ihn der Polizei übergeben. Dann braucht keiner von uns beiden jemals wieder Angst vor ihm zu haben. Ich weiß, dass du das verstehst. Komm jetzt her, Em.«
Die Frau hob die Pistole. Mehr zu sich selbst als zu ihm sagte sie: »Du bist groß. Du wirst mich wohl kaum an dich heranlassen. Nein, sowie ich dich fessele, wirst du mich angreifen. Es wird nie ein Ende haben, nicht bis du tot bist. Ich habe keine Wahl, überhaupt gar
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