Vergeben, nicht vergessen
Brot mit so einem Ding aus Metall mit einem langen Griff«, steuerte Emma bei.
Die Frau schüttelte den Kopf und bemühte sich immer noch zu begreifen, was hier vorging. »Im Augenblick würde ich alles trinken, was einem Kaffee auch nur entfernt ähnelt. Ich habe dort draußen gehockt und Stunde um Stunde auf die Morgendämmerung gewartet, darauf gewartet, dass Sie vor die Tür treten. Doch als es dann so weit war, hatten Sie ein Gewehr, und ich war zu weit entfernt, um mit meiner Detonics etwas ausrichten zu können.«
»Ich hätte die Tür nicht unverschlossen lassen sollen. Das war leichtsinnig. Wenn Sie es nicht gewesen wären, hätten es die anderen sein können.«
»Nun, sie waren es nicht. Ich habe dort draußen keine Menschenseele gesehen. Wer sind die anderen? Von wem sprechen Sie?«
»Damit sollten wir noch etwas warten«, sagte er und machte eine Kopfbewegung in Richtung Emma. Er schenkte ihr von dem blubbernden Kaffee ein. »Setzen Sie sich und versuchen Sie zu trinken. Er wird Sie bis zur Mittagszeit wach halten, dann werden Sie vermutlich schlafen wollen. Emma, ich mache dir eine Schüssel mit Cornflakes. Möchtest du Pfirsiche oder Bananen?«
»Eine Banane. Pfirsiche mag ich eigentlich nicht.«
»Aber du hast sie ohne zu murren gegessen.«
Sie nahm die Cornflakes aus seiner Hand und ließ sie in die Schüssel rieseln. »Ich wollte dir nicht wehtun. Aber Bananen mag ich lieber.«
Er zerkleinerte eine Banane über ihren Cornflakes, während sie die Milch aus dem kleinen Kühlschrank holte. »Schau mal her, Mama«, sagte sie und zeigte mit dem Finger. »Der hat kein Tiefkühlfach. Wir bereiten alles frisch zu, genau wie zu Hause.«
»Einen so modernen habe ich noch nie gesehen. Er ist richtig gut.« Sie konnte kaum glauben, dass ihr diese Worte, diese so gewöhnlichen Worte, tatsächlich über die Lippen gekommen waren. Ihre Fassungslosigkeit verwandelte sich in Unglauben. Sie war hierher gekommen, um dem Entführer ihrer Tochter den Garaus zu machen und sich um ihr hysterisches, verletztes Kind zu kümmern. Und nun saß sie am Küchentisch und trank Kaffee, begutachtete einen modernen Kühlschrank und lauschte ihrer Tochter beim Essen der Cornflakes. Hatte er ihre Tochter gerettet? Hatte er sein Leben riskiert, um sie zu beschützen? Noch immer war das Bild nicht stimmig.
Emma aß Cornflakes mit einer Banane, die ein Fremder ihr fein säuberlich geschnitten hatte. Sie schwieg, bis Emma ihren letzten Löffel Cornflakes gegessen hatte und er ihr gegenüber am Tisch seine zweite Tasse Kaffee trank. »Ich bin ihr seit zwei Wochen auf der Spur. Als ich Emmas Foto in Dillinger herumgezeigt habe, konnte ich es kaum glauben. Mehrere Leute erzählten mir, das sei doch Ramseys kleine Tochter. Ich wusste nicht, welche Schlüsse ich daraus ziehen sollte. Seit gestern schon habe ich Sie im Visier, aber ich kam nie an Sie heran, ohne nicht auch Emma zu gefährden. Sie sind nie aus der Hütte herausgekommen. Weder Sie noch Emma.«
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße Molly Santera.«
Emma schluckte eine Bananenscheibe herunter und sah auf. »Mama meint, unser Nachname klingt wie ein erfundener Name für eine Band, aber er ist echt. So heißt mein Vater.«
Molly lächelte ihrer Tochter zu, beugte sich zu ihr herüber und berührte sie. »Das stimmt. Aber ich wette mit dir, im New Yorker Telefonbuch wimmelt es nur so von Santeras.«
»Ich war noch nie in New York«, erwiderte Emma.
»Wenn du etwas älter bist, werden wir einmal dorthin gehen, Em. Wir werden uns prima amüsieren. Wir wohnen im Plaza und können von dort direkt zu FAO Schwarz gehen. Das ist nicht weit weg.«
Santera. Der Name kam ihm irgendwie bekannt vor. Er erinnerte sich an Emmas Zeichnung von einem Mann mit einer Gitarre in der Hand. Er öffnete den Mund. Langsam sagte er: »Santera. Meinen Sie Louey Santera? Den Rockstar?«
»Genau den«, erwiderte Molly knapp und mit eiskalter Stimme.
Ramsey wollte mehr über Emmas Vater erfahren und warum er nicht mit ihnen zusammenlebte, auch wenn er ein berühmter Rockstar war. Aber er spürte, dass Molly im Augenblick nichts weiter über ihn sagen wollte. Es würde noch genug Zeit geben, in der sie sich gegenseitig all ihre Fragen beantworten konnten. Emma hatte ihre Cornflakes aufgegessen und lächelte erst ihre Mutter und dann ihn an, wie es jedes ganz normale Kind auch tun würde.
»Jetzt weiß ich, wer Sie sind.«
Er legte den Kopf zur Seite. »Ich? Wie denn?«
»Ich erkenne Sie jetzt wieder,
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