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Vergeben, nicht vergessen

Titel: Vergeben, nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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nahm vier normal dosierte Aspirin von Clements und trank ein volles Glas Orangensaft. Lachend wischte er sich die Lippen ab. »Vitamin C ist eine gute Sache, vielleicht sogar genau das Richtige für eine Schusswunde.«
    Sein Bein schmerzte, doch das war noch das geringste seiner Probleme.
    Er wusste, dass sie ihn beobachtete. Die Angst wich aus ihrem schneeweißen Gesicht. Er verschloss die Vordertür, schob den Riegel vor und legte die Kette davor. Später vielleicht würde er das alte Gewehr holen. Die Männer würden nicht zurückkommen. Sie hatten keine Ahnung, dass er keinen Kontakt zur Außenwelt herstellen konnte, und würden annehmen, dass er sofort die Polizei alarmiert hatte. Er bezweifelte, dass sie weiter hier herumstreifen würden. Das wäre zu gefährlich für sie. Abgesehen davon waren beide verwundet und würden Hilfe benötigen. Er hatte sich eine Atempause verschafft.
    Er sah auf sie herab, wie sie ganz dicht bei ihm stand, und er wusste, dass er diese Sache jetzt sofort würde in Angriff nehmen müssen.
    »Lass uns uns mal hinsetzen.« Er streckte die Hand aus.
    Auf seinem Handrücken waren ein paar Blutspuren, die ihr hoffentlich nicht auffallen würden.
    Langsam gab sie ihm ihre Hand. Er saß neben ihr auf dem Sofa. Vorsichtig schob er die Schüssel mit dem blutigen Wodka auf die andere Seite des Tisches.
    »Ich weiß nicht, wer diese Männer waren«, sagte er und sah ihr direkt in die Augen. Sie sollte keine Angst haben, sich nicht zu viele Sorgen machen. »Hast du einen der beiden erkannt?«
    Sie legte den Kopf zur Seite. Sie dachte nach, dieser Blick war ihm bekannt. Er selbst hatte gelegentlich einen überraschend ähnlichen Blick. Schließlich schüttelte sie mit dem Kopf, doch er spürte, dass sie sich nicht ganz sicher war. Nun, fürs Erste musste es genügen.
    Vielleicht hatte nicht nur ein Mann sie missbraucht, möglicherweise waren es zwei gewesen. Vielleicht waren es die beiden Männer gewesen, vorgeblich betrunken, um ihn aus der Hütte zu locken und dann zu schießen. Vielleicht waren sie beide maskiert gewesen, als sie sich an ihr vergangen hatten. Das wiederum bedeutete, dass sie sie nicht hatten umbringen wollen. Was aber hatten sie vorgehabt? Sie als Gefangene zu halten und an ihr herumzuspielen, bis sie ihrer überdrüssig wurden?
    Der erste Schuss, den sie abgefeuert hatten, hatte möglicherweise nicht ihm gegolten. Er konnte sich nicht erinnern. Er würde später darüber nachdenken und seine Erinnerungen Minute für Minute durchgehen. Trotzdem war es seltsam. Was ging hier vor? Wie in aller Welt hatten sie ihn gefunden?
    Er war zu dumm gewesen. Er hätte sie in der Stadt im Jeep zurücklassen und ihr sagen sollen, sie solle sich versteckt halten. Das konnte er jetzt jedoch nicht mehr rückgängig machen. Vermutlich hatten sie ihn in Dillinger an dem Tag gesehen, als er die Kleidung gekauft hatte, als sie mit dabei gewesen war, als er auf dem Weg ins Geschäft ihre Hand gehalten und sie auf dem Arm getragen hatte. Er spürte die Wirkung des Aspirins.
    Endlich.
    Am Schluss hatten sie gezielt, um zu töten. Er nahm ihre Hand in seine. »Wir müssen jetzt sehr vorsichtig sein. Abgemacht? Ich möchte, dass du immer dicht bei mir bleibst.« Als ob sie sich jemals von ihm entfernen würde!
    Sie nickte ernst.
    »Wir schaffen es hier raus, Kleines. Das verspreche ich dir.«
    Wieder nickte sie, ihr kleines Gesicht war so ernst, so blass und angespannt, dass er in Tränen hätte ausbrechen können.

5
    Das Aspirin hatte kein bisschen gewirkt. Sein Schenkel pochte wie wild. Er konnte keine bequeme Stellung finden, und einschlafen konnte er auch nicht wieder. Er hatte erhöhte Temperatur. Es war kurz vor zwei Uhr morgens. Schließlich stand er auf, lauschte ihrem Atem und wusste, dass sie tief schlief, denn der Rhythmus ihres Atems war ihm mittlerweile vertraut. Er ging so leise wie möglich in die Küche, setzte sich an den Küchentisch und tarierte die Taschenlampe so aus, dass sie auf sein Bein leuchtete. Er würde den Klebeverband und die Mullbinde abnehmen und nachsehen müssen, ob sich die Wunde infiziert hatte. In diesem Fall müsste er sich unverzüglich ins Krankenhaus begeben. Das wiederum würde eine polizeiliche Meldung bedeuten, da es sich um eine Schusswunde handelte. Er hätte keine andere Wahl. Und er würde sie mit hineinziehen müssen, würde sie den Behörden übergeben und seinen Schutz über sie aufgeben müssen.
    Er zog die weite Trainingshose herunter und

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