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Vergeben, nicht vergessen

Titel: Vergeben, nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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weiterleben können, wenn sie umgebracht worden wäre.«
    Er befürchtete, sie würde in Tränen ausbrechen, doch stattdessen richtete sie sich auf und stand auf. »Das ist auch der Grund, weshalb ich nicht nach Denver zurückkehren möchte.«

7
    »Ich an Ihrer Stelle würde ähnlich denken.« Er beugte sich vor, die Ellenbogen auf dem zerkratzten Tisch. »Ich habe mir Sorgen gemacht, dass ich die Polizei nicht eingeschaltet und sie nicht ins Krankenhaus gebracht habe. Doch, wie gesagt, ich konnte sie einfach nicht in fremde Obhut geben. Haben Sie mit der Polizei in Dillinger gesprochen?«
    »Nein, bereits drei Ortschaften vorher habe ich aufgehört,
    mit der Polizei zu reden. Ich habe immer nur Emmas Foto herumgezeigt und dauernd Fragen gestellt. Ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte tun sollen. Ich hatte das Gefühl, dass der Entführer nach Westen und nicht in Richtung Norden nach Fort Collins und Cheyenne geflüchtet war. Ich hatte es einfach in den Knochen, dass er in den Rockies sein würde.«
    »Warum?«
    »Die Polizei in Denver hatte ein Telefon eingerichtet, wo sich jeder, der einen Hinweis hatte, melden konnte. Sie haben jede Menge Anrufe bekommen, aber keinen von Bedeutung. Außer einem einzigen, in dem eine alte Frau behauptete, sie habe einen weißen Transporter in Richtung Westen abfahren sehen. Die Polizei hielt sie für senil und hat der Sache keinerlei Bedeutung beigemessen, aber ich habe sie aufgesucht. Sie lebt nicht weit von mir entfernt. Sie leidet unter starker Arthritis und verbringt deshalb viel Zeit auf einem Stuhl am Fenster. Wenn es irgendetwas zu sehen gab, dann würde sie es gesehen haben. Das habe ich der Polizei gesagt, aber sie haben es einfach vom Tisch gewischt.«
    »Wie konnte sie wissen, dass sie nach Westen fuhren?«
    »Wir wohnen auf einer Anhöhe mit Blick nach Westen und dem Highway 70. Von ihrer Etage aus konnte sie den Transporter auf den Highway in Richtung Westen auffahren sehen. Sie schwört Stein und Bein, in dem Auto ein kleines Mädchen gesehen zu haben.«
    »Keine Lösegeldforderung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, jedenfalls nicht bis gestern früh. Das war das letzte Mal, dass ich nachgesehen habe. Das FBI hatte auch damit gerechnet. Sie haben mir immer wieder geraten, zu Hause in der Nähe des Telefons zu bleiben und Geduld zu bewahren. Ich solle ihnen vertrauen und mir von ihnen vorschreiben lassen, wie ich mich zu verhalten hätte, denn sie wüssten Bescheid, während ich ein wenig einfältig sei. Dem einen Polizisten hätte ich beinahe eine Ohrfeige ver-passt. Zwei Tage lang habe ich gewartet, und nichts ist passiert. Dennoch haben die Leute vom FBI nur mit dem Kopf geschüttelt und mir gesagt, ich solle warten, warten, warten. Ich wurde verrückt. Ich rief sie jeden Tag an und ließ mich anbrüllen.
    Ich war in mehr Orten, als ich mich jetzt noch erinnern kann. Dieser hier sollte der allerletzte Versuch sein. Als ich nach Dillinger kam, konnte ich es kaum glauben, dass jeder hier nickte und sagte, das sei Ramseys kleine Tochter. Wenn ich Ihnen damals ohne Emma begegnet wäre, hätte ich vermutlich meine Detonics auf Sie abgefeuert.«
    »Sie wären ins Gefängnis gekommen.«
    »Welch Gerechtigkeit.«
    »Wenn Sie mich erschossen hätten, wäre eine Gefängnisstrafe für Sie in der Tat eine gerechte Sache gewesen. Und in meinem eigenen Interesse hoffe ich, dass sich die Richter nicht hätten erweichen lassen.« Darum ging es natürlich gar nicht. Sie schwieg, doch er spürte, wie sich ihre Stacheln aufstellten. Er wollte mehr darüber wissen, wie es zu Emmas Entführung gekommen war, wer ihr Vater war und noch vieles mehr, doch jetzt stand Emma in der Tür. Frisch gewaschen und munter hielt sie eine Haarbürste in der Hand. Sie kam auf ihn zu und hielt ihm die Bürste hin. Er hörte, wie Molly tief Luft holte. Lächelnd nahm er die Bürste und stellte Emma zwischen seine Beine. Er bürstete ihr die Knoten aus dem Haar und flocht ihr einen Zopf.
    »Mama, könntest du Ramsey beibringen, wie man einen Bauernzopf macht?«, wandte sich Emma an ihre Mutter.
    »Ja, das kann ich. Er ist aber selbst bei einem ganz gewöhnlichen Zopf schon richtig gut.«
    »Den ersten hättest du mal sehen sollen. Er war ganz stachelig und krumm, als ob er in der Mitte gebrochen wäre.«
    Als er am Ende des Zopfes angekommen war, reichte sie ihm ein Schnippgummi. »Hier.« Er drehte sie zu sich herum und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du siehst prima aus. Alle

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