Vergeben, nicht vergessen
werden dich nach deinem Friseur fragen. Ich bin der Beste.«
»Das ist wirklich gut gelungen«, meinte Molly mit ruhiger Stimme. Beide spürten dennoch, dass es nicht einfach für sie zu akzeptieren war, dieses bedingungslose Vertrauen und die Zuneigung, die Emma einem anderen Menschen entgegenbrachte, einem, den sie erst seit einer Woche kannte. »Kann ich Ramsey den Bauernzopf erst morgen beibringen, Em?«
»Ja, Mama.«
Ramsey beugte sich vor und nahm ihre Hände. »Du packst jetzt deine Sachen zusammen, Em, und stopfst alles in einen Kopfkissenbezug. Und vergiss nichts. Das ist wichtig. Wenn diese Männer wieder hierherkommen sollten, sollten sie nichts finden können, was irgendwie mit uns zu tun hat. In einer viertel Stunde sind wir drei hier draußen. Einverstanden?«
Sie sah ihn lange an, dann nickte sie.
Er wartete, bis er Emma im Wohnzimmer herumräumen hörte, dann wandte er sich an Molly: »Ich habe bereits gesagt, welche Erleichterung ich empfunden habe, als Sie sich nicht als diese Schurken entpuppten. Wir hatten nämlich Besuch, gleich zwei von ihnen haben uns beehrt.«
Emma mischte sich vom Flur aus mit einem halb gefüllten Kopfkissenbezug in der Hand ein: »Wirst du dir noch einmal dein Bein ansehen, Ramsey?«
Das hatte er ganz vergessen. Er sollte es tun, nur um sicherzugehen, dass sich keine Entzündung gebildet hatte. Er nickte. »Ich hole das Klebeband«, rief sie.
»Was ist denn passiert?«
»Zwei Männer taumelten gestern vom Wald heraus auf die Wiese und feuerten mit ihren Gewehren herum. Sie gaben vor, betrunken zu sein. Ich habe Emma in die Hütte zurückgebracht und bin dann mit einem Gewehr und der Pistole wieder herausgekommen. Ich bin am Bein verwundet worden, habe aber auch beide Männer getroffen. Einen sogar zweimal. Dann sind sie abgehauen. Eines ihrer Gewehre habe ich noch. Vielleicht kann die Polizei es überprüfen.
Ich weiß nicht, wer sie waren oder warum sie hier aufgetaucht sind. Mein Gefühl sagt mir, dass sie es auf Emma abgesehen hatten.« Plötzlich tauchte Emma neben ihm auf, und er meinte beiläufig: »Emma, reich mir mal den sterilen Mullverband.« Er stand auf und zog seine Trainingshose herunter. Molly atmete hörbar ein. Er setzte sich wieder. »Ich sollte den Verband erneuern. Emma, gib mir den Mullverband. Soweit ich sehen kann, ist die Schwellung leicht zurückgegangen.«
»Das hoffe ich, Ramsey«, sagte Emma und beugte sich darüber. »Es riecht nicht schlecht, und das ist ein gutes Zeichen.«
Molly beobachtete, wie die beiden wie ein eingespieltes Team zusammenarbeiteten, wie Emma ihm Stückchen vom Klebestreifen reichte und ihm dabei half, es fest über den Mull zu ziehen, um die Wunde zu schließen. »Woher weißt du das denn, Em?«
»Ich weiß viele Dinge, Mama. Im Fernsehen habe ich etwas über das Altertum gesehen, diese Show von Mister Spock. Und da haben sie von diesem Phara...«
»Pharao?«
»Genau. Sein eines Bein verrottete und stank, weil ihn jemand mit dem Speer verwundet hatte. Dann ist er gestorben.«
»Du meinst Wundbrand?«
»Richtig. Ich sehe keine Rötung, Ramsey.«
»Ich auch nicht.«
»Ist es immer noch heiß?« Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern drückte sanft ihre Handfläche auf den Verband. »Ja, das ist es. Wie lange wird es noch heiß sein?«
»Ich weiß nicht. Nicht mehr lange. Ich heile sehr schnell.«
»Aber es ist schon besser, nicht wahr?«
Aus ihrer Stimme hörte er die schleichende Angst heraus, grinste breit und streichelte ihr über die Wange. »Bald kann ich schon wieder Ski fahren. Kommst du mit nach Vail?«
»Mama fährt gerne Ski in Vail. Ich lerne es erst.«
»Du kannst mein Maskottchen sein. Ich trage dich auf meinen Schultern herum. Wenn ich falle, werfe ich dich in den Schnee, und du kannst einen Schnee-Engel machen.« Sie schien immer noch verstört. Sie legte ihre Hände mit leichtem Druck zu beiden Seiten der Wunde.
»Ehrlich, Em, es ist alles in Ordnung. Wenn ich mir nicht sicher wäre, wäre ich schneller in der Unfallaufnahme, als man den Jeep anlassen kann.«
Mit ruhiger, kindlicher Stimme sagte Em: »Er hat gesagt, hier in der Nähe gibt es kein Krankenhaus, nur eine große Kirche.«
Molly und Ramsey starrten sie mit angehaltenem Atem an. Ramsey beugte sich vor. Er wollte sie unbedingt über den Mann, der sie entführt und missbraucht hatte, ausfragen. Bisher jedoch hatte er das unterlassen, weil er in diesen Dingen keinerlei Erfahrung besaß. Auf gar keinen Fall wollte er
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