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Vergeben, nicht vergessen

Titel: Vergeben, nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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riskieren, dass sie ausrastete. Mit gefasster, ganz und gar sachlicher Stimme fragte er: »Wer hat das gesagt, Emma? Welcher Mann?«
    Sie fing an, ihren Kopf so heftig vor und zurück zu werfen, dass der Zopf ihr ins Gesicht schlug. Wieder und wieder sagte sie: »Keiner, keiner, keiner.«
    »Ist schon gut, Em.« Molly kniete sich hin und zog ihre Tochter zu sich heran. Emma lehnte sich gegen seinen Schenkel, wobei sie ihre Mutter mit sich zog, doch der Druck bereitete ihm keinerlei Schmerzen. »Ich liebe dich. Es ist alles in Ordnung.«
    Über Emmas Kopf hinweg trafen sich ihre Blicke. In Mollys Augen loderte eine unbändige Wut. Falls sie den Kerl tatsächlich irgendwann stellen würden, wäre hoffentlich gerade noch genug Zeit, ein paar Informationen aus ihm herauszupressen, ehe Molly ihn umbrachte. Auf der anderen Seite würde er selbst ihn vielleicht sogar noch vor Molly umlegen.
    »Em, hast du deine Sachen fertig gepackt?«
    Sie stemmte sich ab und blickte ihn an. Ihr Gesicht war blass, die Wangenknochen schienen sich jeden Augenblick durch ihre Haut zu bohren, so angespannt war sie. »Ja, Ramsey. Fast fertig. Nur meinen einen roten Socken kann ich nicht finden.«
    »In fünf Minuten sind wir hier draußen, mit oder ohne roten Socken. Nimm das Klebeband mit. Das Bein sollten wir noch einen Tag ruhen lassen. Kommt schon, Leute, lasst uns fahren.«
    Sie begegneten keiner Menschenseele. Natürlich hätte jemand sie vom Wald versteckt beobachten können. Ramsey packte alles, so schnell es ging, in den Jeep.
    »Wo ist Ihr Auto?«, fragte er Molly und ließ sich hinter das Steuer gleiten. Mit einer schnellen Bewegung hatte er den Zündschlüssel ins Schloss gesteckt und herumgedreht. In der morgendlichen Stille lärmte der Motor.
    »Ungefähr eine halbe Meile entfernt, gleich am Straßenrand. Es ist ein Mietwagen, ein Chevrolet.« Sie hielt einen Moment inne, sah konzentriert aus dem Fenster und sagte dann, die Ruhe selbst: »Schauen Sie, Ramsey, Sie sind Bundesrichter. Sie sind Teil eines Systems, dem ich nicht traue. Ich werde nicht die Polizei einschalten, und ich werde nicht nach Denver zurückkehren. Was halten Sie davon, Emma und mich abzusetzen und dann ganz einfach Ihrer Wege zu gehen?«
    »Was wollen Sie denn damit sagen?« Überrascht und von plötzlicher Wut gepackt, hatte er das Steuer ein wenig zu weit herumgerissen, sodass der Wagen fast aus der schmalen Fahrspur gelaufen wäre.
    »Ich meine«, sagte sie und blickte stur, ohne ihn anzusehen, durch die verdreckte Windschutzscheibe, »dass Sie uns gar nicht kennen. Ich bin jetzt wieder da. Emma ist meine Verantwortung. Jetzt übernehme ich.«
    »Nein.«
    »Die verdammte Polizei werde ich nicht einschalten.«
    »Einverstanden, für den Moment jedenfalls. Aber ich bin anderer Meinung.« Er spürte, dass noch etwas anderes sie zurückhielt, etwas, von dem sie ihm noch nichts gesagt hatte. Nicht dass sie ihm bisher übermäßig viel erzählt hätte.
    »Ist mir gleichgültig. Hier bestimme ich, wo es langgeht. Wenn Sie das nicht akzeptieren können, gehen Sie.«
    »Mama, willst du denn nicht, dass Ramsey bei uns bleibt?«
    Molly küsste ihre Tochter aufs Ohr. »Er ist ohne sein Zutun in die Sache hineingeschlittert, Em. Dies ist nicht sein Problem.«
    »Wie sind Sie denn zu dieser brillanten Schlussfolgerung gekommen?« Der Jeep knirschte über die Steine und senkte sich zu einer Seite ab. »Ein paar Typen haben versucht, mich aus der Hütte zu bekommen. Es sieht ganz danach aus, als ob sie versucht hätten, mich aus dem Weg zu schaffen.«
    »Ich nehme nicht an, dass Sie überhaupt erwägen, sie hätten es auf Sie abgesehen?«
    Am liebsten hätte er das Lenkrad zerschmettert. »Emma«, sagte er. »Hör jetzt nicht hin. Leg dir die Hände über die Ohren. Ja, so ist es gut. Und jetzt werde ich deiner Mutter mal die Meinung sagen.«
    »Ich will gar nichts mehr hören. Es spielt keine Rolle mehr. Sie haben Ihre gute Tat getan. Sie sind sogar verletzt worden, weil Sie Emma beschützt haben. Das ist genug, mehr als genug. Jetzt sind Sie aus unserem Leben entlassen. Nachdem wir die Autos getauscht haben, werde ich sehr vorsichtig sein. Das kann ich mittlerweile richtig gut. Ich werde nicht zurück nach Denver fahren, Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, dass Emma in Gefahr ist. Selbstverständlich rufe ich die Polizei und das FBI an und sage ihnen, dass die Sache ausgestanden ist. Ich werde sie über den Ort informieren, wo Sie Emma gefunden haben.

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