Vergeben, nicht vergessen
anderen Ecke des Zimmers erstarrte. »Vielleicht weil er deinen Mann verletzt hat?«, hakte er nach.
»Du machst deine Arbeit wirklich vorzüglich.«
»Ja, das stimmt. Aber das hier hat mit meiner Arbeit nichts zu tun. Ich bin nicht neugierig, Molly, ich versuche lediglich herauszufinden, was hier vor sich geht. Hilf mir dabei.«
»Das hatte auch etwas damit zu tun.«
»Das ist gelogen. Ich höre es an deiner Stimme.«
»Also gut. Louey hat gesagt, er würde mir Emma wegnehmen, wenn ich meinen Vater jemals wieder sehen würde. Soweit ich mich erinnere, hat er ihn als Arschloch bezeichnet.«
»Warum?«
»Louey hat meinen Vater gehasst, weil er sein Geheimnis kannte.«
»Welches Geheimnis?«
Sie seufzte tief auf. »Louey hat mich geschlagen.«
Er wollte aus dem Sessel aufspringen, umklammerte sein Bein und sank wieder zurück. »Dieser mickrige Mistkerl hat dich geschlagen? Tatsächlich geschlagen?«
»Ja. Aber glaube nur nicht, dass ich hier das Opfer bin. Ich habe ihm klargemacht, wenn er mich noch einmal anfasst, würde ich ihn umbringen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob er mir das abgenommen hat, aber ich selbst habe es mir abgenommen, und das hat er irgendwie doch gespürt.«
»Wenn er etwas Grips im Kopf hatte, muss ihm das vollkommen klar gewesen sein.«
»Das war vor drei Jahren. Einer meiner Bekannten hatte es herausgefunden und meinen Vater angerufen. Mason kam nach Denver und hat Louey höchstpersönlich zusammengeschlagen. Er hat Louey gesagt, wenn er mich jemals wieder anrühren sollte, würde er ihn umbringen. Louey war also klar, dass er ziemlich tief im Dreck steckte. Er hasste seine eigene Wehrlosigkeit, also hat er mir befohlen, meinen Vater nicht wieder zu sehen.«
»Hättest du ihn denn umgebracht, wenn er dich noch einmal geschlagen hätte?«
»Vermutlich nicht, aber ich wäre blitzartig verschwunden. Dieses erste Mal war er betrunken gewesen. Er hatte eine schlechte Kritik für seine letzte CD Danger Floats Deep bekommen und war stinksauer. Am selben Tag bekam ich die Benachrichtigung einer Zeitschrift, dass sie einige meiner Fotos abdrucken wollten. Er war eifersüchtig, was zwar albern ist, besonders wenn man die unterschiedliche Gewichtung der Dinge betrachtet. Für ihn aber spielte das keine Rolle. Louey ließ seine Wut an mir aus.«
»Ich kann mich nicht erinnern, gehört zu haben, dass Louey Santera verletzt wurde.«
»Nein, darüber wurde nicht berichtet. Mein Vater ließ einen Arzt kommen und ihn untersuchen. Im darauf folgenden Jahr habe ich Louey vor die Tür gesetzt.«
»Ah«, sagte er. »Warum hast du dazu denn so lange gebraucht?«
Sie seufzte, und es wurde ihr bewusst, wie leicht es ihr fiel, sich mit ihm zu unterhalten. »Emmas wegen wollte ich es noch einmal versuchen. Das war keine sehr schlaue Idee. Um ehrlich zu sein, als er dann offiziell ging, war es nur noch eine Formalität, denn er war bereits ausgezogen und lebte bei einer seiner Freundinnen.« Sie lachte. »Mein Vater hat durchgesetzt, dass Louey mir mehr Geld zahlen musste, als er zu dem Zeitpunkt überhaupt besaß. Louey war wirklich stinksauer, konnte aber nichts dagegen unternehmen. Er versuchte noch einmal mit Emma zu drohen, doch diesmal hat er mich ernst genommen.«
»Warum hast du nach eurer Trennung deinen Vater nicht wieder gesehen?«
»Es gibt zwei Wahrheiten. Die eine erzähle ich, wenn Leute mich fragen. Dann sage ich, dass Eve nicht mit ihrer Stieftochter gesehen werden will, die älter ist als sie selbst. Und eine Stiefenkeltochter? Ich bitte dich!«
»Und die andere, die richtige Wahrheit?«
Sie strich sich über die Arme. »Die meisten Leute, die von meinem Vater gehört haben, halten ihn für einen sehr reichen und erfolgreichen Geschäftsmann. Er besitzt Firmen in Silicon Valley, er hat seine Finger in der Telekommunikation, er besitzt Textilfabriken im Nordwesten, eine Restaurantkette im Süden und noch jede Menge anderer Firmen. Noch nie ist er wegen irgendetwas verklagt oder gar verurteilt worden. Seine Buchhaltung ist makellos, eine Klage auf Steuerhinterziehung würde bei ihm nicht greifen. Leute wie du wissen, dass er noch eine andere Seite hat. Er ist König der Erpressung, im Glücksspiel, in der Prostitution und was nicht noch alles, außer Drogen. Er hasst Drogen.
»Meine Mutter war sehr klug. Nach der Scheidung ging sie weit weg mit mir, bis nach Italien. Ich wurde außerhalb seines Einflusses erzogen. Ich erinnere mich, dass sie immer weinte, wenn sie mich jeden
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