Vergeben, nicht vergessen
nicht anders gehandelt. Als er aufstand und selbst ins Badezimmer ging, fragte er sich, ob Molly ihren Mann früher geliebt hatte.
12
Emma war außer sich vor Aufregung. Sowie sie das Zweioktavenklavier sah, fing sie zu spielen an. Ramsey stand vollkommen verblüfft und sprachlos hinter ihr.
Sie spielte eine Sonate von Mozart, die seinerzeit einmal die Titelmelodie des Filmklassikers Elvira Madigan gewesen war.
Die Verkäufer des Spielzeugladens begannen ebenso wie die anderen Eltern mit ihren Kindern zusammenzulaufen. Niemand sagte etwas, alle sahen Emma beim Spielen auf diesem eigentlich nicht ernst zu nehmenden Klavier zu und lauschten der unglaublichen Musik, die sie hervorbrachte.
Er sah zu Molly hinüber. Sie summte bei Emmas Spiel mit und tat so, als ob das alles nichts Ungewöhnliches sei.
Er kaufte das Klavier. »Ein Jammer, dass sie kein richtiges Klavier hat. Sie ist sehr begabt. Wie lange spielt sie denn schon?«, erkundigte sich die Verkäuferin.
Molly erwiderte: »Seit sie drei geworden ist. Wir machen hier Ferien und haben vergessen, ihr tragbares Klavier mitzunehmen. Aber dieses hier wird ihr gute Dienste leisten.«
»Einfach verblüffend«, meinte die Verkäuferin. »Wirklich erstaunlich. Sie haben ein sehr begabtes kleines Mädchen.«
Ramsey nickte. »Ja, sie ist erstaunlich.«
Er fühlte, wie Emma ihre Hand in seine schob. Er drückte sie gegen sein Bein, das sich allmählich wieder normal anfühlte. Er schluckte jetzt nur noch vier Aspirin am Tag. Ob sich Emma noch an ihren Alptraum erinnerte? Er hätte sie gerne gefragt, überlegte es sich jedoch anders. Nein, sie mussten mit jemandem vom Fach sprechen. Er wollte sich nach jemand Geeignetem erkundigen.
Als er die Autotür aufschloss, wandte er sich leise an Molly: »Meinst du, mit Emma ist alles in Ordnung?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe sie nicht gefragt. Nach der gestrigen Nacht aber habe ich mehr Angst als zuvor.«
»Ich könnte den Namen eines hier ansässigen Psychologen ausfindig machen, einer, der sich mit Kindern auskennt. Was hältst du davon?«
Sie schluckte heftig, und er konnte ihre Gedanken fast hören. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Wir sollten das Risiko nicht eingehen. Meiner Ansicht nach sollten wir sie in der nächsten Zeit einfach immer bei uns behalten und sie spüren lassen, dass sie bei uns sicher ist.«
Doch sie wusste, dass sie Emma nicht vor ihren Alpträumen schützen konnte. Molly zog die Stirn kraus, weil sie eigentlich hätte in Tränen ausbrechen wollen.
Immer noch unsicher nickte er und blickte auf den Rücksitz des Toyotas. Emma hielt den Karton ihres Klaviers fest an sich gedrückt. Sie hatte die Augen geschlossen. Woran dachte sie? Oder spielte sie in Gedanken einfach nur Musik? Er betete, dass es nur Musik sein möge und nicht etwas anderes, jedenfalls jetzt noch nicht.
Eine halbe Meile vom Einkaufszentrum entfernt bemerkte er den Honda Civic. Der Highway 89 war nicht sonderlich dicht befahren, er war die einzige Verbindung zwischen dem Tahoe-See und Truckee. Es waren noch ungefähr zehn Kilo-meter bis zur Alpine-Meadows-Straße, wo sie abbiegen würden. Er sagte nichts, schaute aber gelegentlich in den Rückspiegel.
Schließlich, als er sich sicher war, dass sie verfolgt wurden, sagte er leise: »Molly, schau mal nach hinten und versuche das Kennzeichen des Civics zu lesen, der zwei Wagen weiter hinter uns fährt. Er ist noch recht neu und grau. Und versuche so unauffällig wie möglich zu sein. Sie sollen nicht merken, dass wir sie entdeckt haben.«
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber Panik war ihn ihrem Blick zu lesen, dann eine Kälte, genau dieselbe Kälte, mit der sie ihn auch angesehen hatte, als sie an jenem Morgen in die Hütte hereingestürzt war.
Sie sah wieder auf Emma. Emma schaute aus dem Fenster und hielt den Karton mit dem Klavier fest gegen die Brust gepresst. Offenbar hatte sie nichts mitbekommen.
Sie waren schon fast an ihrem Abzweig angekommen, als sie das Kennzeichen entziffern konnte. »Es lautet F A R B, drei, drei, drei. Das ist zu simpel. Bist du dir sicher, dass sie uns folgen? Es ist ein geradezu lächerliches Kennzeichen.«
»Sicher bin ich mir nicht. Ich will jedoch kein Risiko eingehen. Hast du deine Pistole?«
»O ja. Was willst du tun?«
»Lass uns abbiegen und sehen, wie sie darauf reagieren. Es sind zwei Männer, richtig?«
»Soweit ich sehen kann, ja. Sie sind wirklich darum bemüht, den Abstand zu halten. Ich kann nicht
Weitere Kostenlose Bücher