Vergeben, nicht vergessen
Baked Beans. Ich schneide ein paar Zwiebeln in die Bohnen, füge etwas Senf und Ketchup hinzu und stelle das Ganze für zwanzig Minuten auf das Feuer. Das klingt doch gut, oder?«
Sie hörte zu schaukeln auf.
Langsam wandte sie ihm ihr Gesicht zu und schob die Haare zurück.
»Magst du Hot Dogs?«
Sie nickte.
»Gut. Ich auch. Dann habe ich noch diese altmodischen Kartoffelchips gekauft. Die richtig fettigen, bei denen einem die Hände ganz ölig werden. Magst du Kartoffelchips?«
Wieder nickte sie. Sie entspannte ein wenig.
Das Kind aß gerne. Das war zumindest ein Anfang. »Mochtest du die entrahmte Milch?«
Sie schüttelte den Kopf.
Was jetzt? »Macht es dir etwas aus, wenn ich meinen Toast esse? Er wird sonst kalt.« Er wartete ihr Nicken nicht erst ab, lächelte sie an und schmierte Butter auf den Toast. Als er auf einer der beiden Scheiben Erdbeermarmelade verteilt hatte, reichte er sie ihr. »Möchtest du?«
Sie starrte auf das Stück Brot, von dem etwas Marmelade bereits auf der einen Seite herunterzukleckern drohte. »Ich lege es auf die Serviette.« Glücklicherweise hatte er Servietten gekauft.
Er reichte ihr den Toast. Sie biss hastig dreimal ab, schlang, fast ohne zu kauen, seufzte und aß endlich langsamer. Sie leckte sich sorgfältig die Erdbeermarmelade von der Unterlippe. Zum ersten Mal machte sie einen zufriedeneren Eindruck.
»Es ist lange her, seit du etwas Anständiges gegessen hast, oder?«
Sie kaute bedächtig auf ihrem Bissen herum und schien darüber nachzudenken. Dann nickte sie zögernd.
»Ich soll dir wohl nur Fragen stellen, die du mit ja oder nein beantworten kannst. Geht es dir heute Morgen etwas besser?«
Erneute Angst ließ jegliches bisschen Farbe aus ihrem Gesicht weichen.
Sie betrachtete ihre bandagierten Handgelenke, die das Stück Toast hielten.
»Wenn du aufgegessen hast, werde ich noch etwas Salbe auf deine Hand- und Fußgelenke schmieren.« Mehr sagte er nicht, sondern aß seinen Toast. Wie stand es um ihren restlichen Körper? Er war sich darüber im Klaren, dass er sie eigentlich nochmals hätte untersuchen müssen, aber er wagte es nicht, nicht solange sie wach und verängstigt war.
Als sie beide aufgegessen hatten, stand er auf und ging ins Wohnzimmer. »Möchtest du baden? Ich kann auf dem Ofen Wasser warm machen und dir ein Bad einlassen. Ich besitze zu diesem Zweck ein paar riesige Töpfe.« Auch ohne sie anzusehen ahnte er, dass sie vermutlich den Kopf schüttelte und sich gegen die Küchenwand presste. »Du bist ein großes Mädchen. Du kannst dich alleine baden, nicht wahr?« Er wandte sich lächelnd zu ihr um.
Vorsichtig stand sie auf. Sie nickte.
»Im Badezimmer habe ich etwas Shampoo. Kannst du dir die Haare selber waschen? Gut. Danach kann ich dich an den Händen und Füßen einreiben. Allerdings haben wir ein Kleiderproblem. Ich schlage vor, nach dem Baden einfach wieder das Unterhemd anzuziehen. Ich schau dann mal, was ich noch für dich auftreiben kann.«
Sie ging hinaus. Diesmal war sie fünf Minuten später wieder da. Er gewann an Boden. Der Pullover reichte ihr bis zu den Füßen, die Ärmel hingen gute dreißig Zentimeter über ihre Hände hinaus. Er krempelte sie ihr bis zu den Ellbogen zurück. Sie sah gleichzeitig albern und rührend aus.
Wie vertrieb man sich mit einem kleinen Kind die Zeit?
»Kennst du die Hauptstadt von Colorado?«
Sie nickte. Er zog eine Landkarte hervor, war sich aber nicht sicher, ob sie lesen und schreiben konnte. Unwichtig. Sie zeigte auf Denver, neben dem sich ein roter Stern befand. Sie lebte also in Colorado.
»Das ist wirklich richtig gut. Meine Nichten und Neffen kennen kaum eine Hauptstadt, noch nicht einmal die von Pennsylvania, wo sie wohnen. Weißt du, wo wir sind?«
Angst, kalte, starre Angst.
Er bemerkte leichthin: »Wir sind in den Rockies, ungefähr zwei Stunden Autofahrt südwestlich von Denver. Hier in der Nähe gibt es keine Skiorte, deshalb ist es ziemlich leer hier. Trotzdem ist es ein schöner Ort. Schaust du dir Star Trek an?«
Sie nickte, und ihr Gesicht bekam wieder etwas Farbe.
»Ich habe mir erzählen lassen, dass die Leute hier die Berge dort drüben als Ferengi-Berge bezeichnen.«
Sie öffnete den Mund und rieb sich mit den Fingern über die Zähne.
Er lachte. »Genau. Die Gipfel sind so krumm und schief und haben ganz merkwürdige Abstände. Eben wie Ferengi-Zähne.«
Die Ärmel ihres Hemdes schleiften schon wieder auf dem Boden. Er beugte sich vor, um sie aufzurollen.
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