Vergeben, nicht vergessen
gesehen habe.«
Savich sagte nichts dazu. Er wandte den Kopf ab. Wenn die Dinge doch anders stünden, doch das war leider nicht der Fall. Schließlich meinte er: »Wusstest du, dass sie in einem Sommer, als sie etwa zwölf Jahre alt war, angeblich ihren jüngeren Bruder hat ertrinken lassen?«
Ramsey ließ das Handtuch zu Boden fallen und starrte Savich an. Er schüttelte den Kopf. »Nein«, erwiderte er. »Nein. Das kann ich nicht glauben, Savich. Das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich.«
»Tut mir Leid. Sherlock hat es in alten Akten von vor fünfzehn Jahren aufgetrieben. Es tut mir Leid, wenn du jetzt vielleicht denkst, dass sie sich in Dinge einmischt, die sie nichts angehen, aber Sherlock ist durch und durch Profi. Sie sieht sich alles an.«
»Ich habe kein Problem damit, wenn Sherlock mich bis auf die Unterhosen auszieht, falls es für diesen Fall von Bedeutung ist. Aber ich sage dir, bei der Sache mit Mollys Bruder muss es sich um einen Unfall gehandelt haben. Nie und nimmer könnte Molly ihr eigen Fleisch und Blut ertrinken sehen.
Nie und nimmer. Und das schließt diesen Mistkerl von einem Vater mit ein.«
Savich zuckte mit den Schultern. »Natürlich hat man in der Sache ermittelt, doch die Ergebnisse waren nicht stichhaltig. Die allgemeine Auffassung seinerzeit war die, dass sie ihren jüngeren Bruder hasste, weil ihr Vater deutlich zeigte, dass er sein Liebling war, der Erbe, der Einzige, der etwas wert war. Du hast mir doch selbst gesagt, dass Mason nicht viel von seiner Tochter hält. Vielleicht hast du Recht, und vielleicht ist das auch der Grund, weswegen er Eve geheiratet hat. Er möchte noch einen Sohn.
Mason Lord und seine erste Frau, Alicia, wurden geschieden, als Molly ungefähr acht und ihr Bruder sechs Jahre alt waren«, fuhr Savich fort. »Sie ist mit ihrer Mutter zusammen in deren Heimatort in Italien gezogen, während der Sohn beim Vater geblieben ist. Molly war hier eines Sommers zu Besuch, als das passiert ist. Als sie achtzehn war, ist sie nach Vassar gegangen. Ein Jahr später hat sie die Universität verlassen und ist zu ihrem Vater gezogen. Das kannst du nicht einfach von der Hand weisen, Ramsey. Molly Santera hat eine Vergangenheit. Sie mag unschuldig sein, aber du weißt, dass die Sache nicht ganz eindeutig war. Wir können es uns nicht leisten, eine solche Information einfach beiseite zu schieben.«
»Willst du damit sagen, dass sie etwas mit Emmas Entführung zu tun hat?«, erkundigte sich Ramsey.
»Nein, das glaube ich nicht. Aber wie steht es mit dem Mord an Louey? Was, wenn Louey tatsächlich das eigentliche Ziel gewesen ist?«
»Hör zu, sie hat sich von diesem Nichtsnutz scheiden lassen. Es gab keinen Grund, ihn umzubringen. Abgesehen davon hätte sie nicht Vorhersagen können, dass er zu flüchten versuchen würde. Es war eine spontane Sache, Louey sind einfach die Nerven durchgegangen, und er ist davongestürmt.«
Savich stand auf und sah Ramsey an. »Und wenn sie ihn davon überzeugt hat, dass ihr Vater ihn umbringen wollte?
Wenn sie ihm gesagt hat, dass er sich besser vom Acker machen und den Mercedes nehmen sollte, den Gunther gerade vorgefahren hatte? Wäre das nicht möglich? Denk nur einmal darüber nach, Ramsey. Weder du noch ich kennen diese Menschen sonderlich lange. Kehr es nicht unter den Teppich, nur weil du die Frau anhimmelst und ihr Haar schön findest.«
Ramsey fühlte, wie ihm das Herz gegen die Rippen schlug. Sein Rücken schmerzte dadurch noch schlimmer. Er glaubte es nicht. Seine Menschenkenntnis war sehr gut. Er hatte Molly in äußerst brenzligen Situationen beobachtet. Sie hatte nicht nachgegeben, war nicht zusammengebrochen, war nicht ausgerastet. Laut sagte er: »Sie hat keine Ahnung, wie man eine Bombe baut. Das würde bedeuten, dass sie sehr kurzfristig jemanden hätte dafür anheuern müssen. Nicht sehr wahrscheinlich.«
»Sie ist die Tochter von Mason Lord, aber vielleicht hast du dennoch Recht mit deiner Einschätzung von ihr. Du scheinst diese Frau tatsächlich sehr gut zu kennen, obwohl erst so eine kurze Zeit vergangen ist.« Er seufzte und rieb sich den Nacken. »Wer wäre besser geeignet, jemanden heimlich in das Gelände einzuschleusen? Und woher willst du wissen, dass sie nicht weiß, wie man eine Bombe baut?«
Ramsey starrte ihn lediglich an und schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich ab und ging. Sein Rücken schmerzte höllisch.
21
Die Nacht war dunkel, mit tief hängenden Wolken, die Luft vom kurz bevorstehenden
Weitere Kostenlose Bücher